Stellen Sie sich vor, Sie sind Mitglied einer internationalen Jury, die den großen Erfolgsorden am Bande verleiht. In der heutigen Sitzung stehen zwei sehr unterschiedliche Menschen auf der Vorschlagsliste: ein Milliardär aus New York und eine Hausfrau aus Dakar. Der Ölmagnat war schon in den achtziger Jahren dabei, als die von seiner Industrie finanzierten Think Tanks mit den ersten Studien über den Klimawandel aufwarteten. Sie sagten damals sehr präzise voraus, wie das Verfeuern fossiler Brennstoffe die Atmosphäre erwärmt. Die Studien wurden einkassiert, und fortan behaupteten die Institute das Gegenteil. Wer zahlt, schafft an. Auf dem Höhepunkt der Pandemie ließ sich unser Mann zusammen mit seinesgleichen im eigenen Hubschrauber direkt vom Dach seines Hochhauses nach Long Island fliegen. Unsere Kandidatin dagegen lebt in einem Armenviertel der senegalesischen Hauptstadt. Meist weiß sie am Morgen noch nicht, was sie ihren Kindern abends auf den Tisch stellen kann. Von ihrem Mann hat sie seit längerem nichts gehört. Er war Fischer. Weil die Fangflotten Putins und der EU das Meer vor Dakar weitgehend leer gefischt haben, machte er sich eines Tages auf den Weg nach Norden. Vermutlich ist er vor den Kanaren ertrunken. Aber irgendwie schafft sie es, über die Runden zu kommen und ihre Familie halbwegs zu ernähren. Keine Frage, wem Sie den Orden verleihen würden, nicht wahr? Denn die einzige wirklich belastbare Definition von Erfolg ist, sein Leben zu meistern. Oder wie der amerikanische Risikoforscher Taleb sagt: ein ehrenwertes Leben zu führen. Aber was genau ist das? Der vornehme Herr von der Upper East Side ist zweifellos davon überzeugt, das zu tun, genau wie seine vielen Freunde beiderlei Geschlechts, die ihrem gemeinsamen Idol zujubeln, wenn es bei einer Spendengala Gegenden wie die von Mama Dakar als Dreckslöcher bezeichnet. Wer hat recht? Und wie können wir das entscheiden? Zwar wissen wir jetzt, was Erfolg ist, nämlich ein ehrenwertes Leben. Aber was ist Ehre? Und vor allem: wer bestimmt das? Zu viele Fragen auf einmal. Wie es aussieht, müssen wir noch etwas weitermachen. Dann bis zum nächsten Mal.

 

Von Karl-Heinz Schulz.

Karl-Heinz Schulz Porträt.

Karl-Heinz Schulz ist geschäftsführender Gesellschafter der Kommunikationsberatung Mandelkern und Mitveranstalter des Frankfurter Zukunftskongresses.

Vorheriger ArtikelSonderimpfaktion mit Impf-Happy-Hour
Nächster ArtikelDas Frisbee muss ins Körbchen – Discgolf in Frankfurt