BORNHEIM | Mit vollem Elan und ganz viel Expertise ist die neue Leiterin der Deutschen Kinderhospiz Dienste in Frankfurt-Bornheim gestartet: Kerstin Lüttke ist seit Mitte des Jahres hauptamtliche Koordinatorin des Ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienstes Löwenzahn. Sie kümmert sich um die Abstimmung sämtlicher Belange zwischen den ehrenamtlichen Kinderhospizbegleitern und Familien mit lebensverkürzend erkrankten Kindern. Einen Einblick in ihre aktuelle Arbeit und den Wirkungskreis gab sie im Interview.

Beate Tomann: Was ist die Kernaufgabe des „Ambulanten Kinder und Jugendhospizdienstes Löwenzahn?

Kerstin Lüttke: Unsere Arbeit richtet sich an Familien mit Kindern, die eine dramatische Diagnose bekommen haben. Die Kinder leiden an einer lebensverkürzenden Krankheit und werden voraussichtlich nicht das Erwachsenenalter erreichen. Die Familie, steht nach der Diagnose zumeist unter Schock und die Krankheit betrifft nicht nur das Kind oder den Jugendlichen selbst. Es ist immer das ganze Familiensystem betroffen. Vor allem auch die Geschwisterkinder leiden sehr. Nach Diagnosestellung wird die Familie fast immer stark isoliert, denn das Umfeld zieht sich zurück. Die Eltern müssen sich auf intensive Pflegezeiten einstellen und können dieser Verantwortung nicht entrinnen. Lebensverkürzt erkrankte Kinder sind eine „Rund um die Uhr“-Aufgabe. Geschwisterkinder geraten dabei mit ihren Bedürfnissen in den Hintergrund. Oft verlassen die Väter das System, weil sie sich der Aufgabe nicht gewachsen fühlen. Mütter stellen sich über Jahre hinweg noch nicht einmal mehr die Frage: Was würde ich tun, wenn ich Zeit für mich hätte? Weil sie wissen, dass es nie Zeit für sie gibt.

Und in dieser schwierigen Situation begleiten wir mit unseren Ehrenamtlichen die Familien. Wir übernehmen sozusagen die Funktion eines Lotsen.

Was genau können Sie mit diesem Verein bewegen?

Nun zunächst ist es so, dass wir Ehrenamtliche ausbilden und über vier Monate hinweg einmal wöchentlich, mit den unterschiedlichsten Inhalten, wie z.B. rechtliche Aspekte, Krankheitsbilder und eigene Trauererfahrungen, gut auf ihre Arbeit vorbereiten. Wer diese fachliche und persönliche Ausbildungszeit gut nutzt, ist am Ende in der Lage, diese wertvolle Aufgabe verantwortungsvoll zu meistern.

Nach der Ausbildung geht immer dieselbe Person in eine Familie, begleitet dort das erkrankte Kind, ein Geschwisterkind und stabilisiert so die gesamte Familie. Es handelt sich quasi um ein freundschaftliches Entlastungsangebot. Das sind in der Regel zwei bis drei Stunden in der Woche, die die Ehrenamtlichen in der Familie sind. In dieser Zeit versucht mein Team für die Familien da zu sein. Das kann sein, einfach mit dem Geschwisterkind etwas zu unternehmen oder einen Spaziergang mit dem Kind im Rollstuhl durch den Park. Als ein vertrauter Mensch Zuversicht und Unterstützung bieten. Es kann auch sein, dass die Person hilft, wenn es um Anträge bei Ämtern und Unterstützungsleistungen der Krankenkassen geht. Abgelehnt werden Rollstühle und andere Hilfsleistungen schnell. “Da braucht es auch mentale Kraft, um sich weiter durchzubeißen. Zurzeit werden in Frankfurt nur ein Zehntel der Familien, die von der schweren Diagnose betroffen sind, erreicht. Wir gehen von mindestens 400 betroffenen Familien allein in Frankfurt aus. In ganz Deutschland sind 50.000 Kinder und Jugendliche lebensverkürzend erkrankt.“

Bisher dachte ich immer Hospiz bedeutet die Begleitung auf den letzten Metern? Ihre Arbeit unterscheidet sich da aber doch gewaltig.

Unsere Arbeit beginnt in unserem Selbstverständnis mit der Diagnosestellung und kann je nach Bedarf mit der Trauerarbeit bis zu fünf Jahre über den Tod des Kindes hinaus stattfinden. Wir verstehen uns primär als Begleiter des Lebens der schwerstkranken Kinder und der Familien. Wir bringen Lebensfreude, Lebensqualität und ein Stück Normalität. Hiervon haben sie leider wenig und ein weiterer wesentlicher Unterschied ist, dass wir aktiv auf die Familien zugehen, denn aufgrund ihrer schwer belastenden Situation haben sie meist keinen Raum oder Zeit, sich selbst Hilfe zu suchen. Außerdem können die Familien in einem stationären Kinderhospiz z.B. eine Urlaubswoche machen, einmal komplett abschalten und durchatmen. Das wissen die meisten betroffenen Familien nicht und auch hierbei unterstützen wir, einen Platz zu finden. Wir legen Wert darauf, mit möglichst vielen Partnern in dieser Aufgabenstellung vernetzt zu sein. Auch das gehört zu meinen Grundaufgaben. Übrigens startet unsere nächste Ehrenamtsausbildung im Februar 2023 und am 18. Januar 2023 um 18 Uhr findet ein Infoabend in unserer Geschäftsstelle Wittelsbacherallee 21, 60316 Frankfurt am Main statt. Anmeldung erwünscht unter: kerstin.luettke@ambulanter-kinderhospizdienst-frankfurt.de

Und wie finanziert sich das Frankfurter Angebot?

Wir sind ein Teil der bundesweit aktiven Deutsche Kinderhospiz Dienste. Unter dem Namen Löwenzahn bauten wir in Dortmund erstmals einen Kinderhospizdienst nach einem neuen Konzept auf. Eine moderne Hilfestruktur sollte die Betroffenen über ein medizinisches Netzwerk ansprechen. Der Selbsthilfegedanke wurde durch den Hilfegedanken ersetzt. Emotionale und praktische Hürden zur Inanspruchnahme der Hilfe wurden konsequent auf ein Minimum gesenkt. Das Angebot ist zum größten Teil Spendenfinanziert und ich freue mich sehr, dass wir mit unseren Themen im DER FRANKFURTER über einige Wochen unsere Geschichten erzählen können und wir einen Anteil der Frankfurter Werbeaktivitäten in der Wochenzeitung als Spende erhalten.

Spendenkonto: Ambulanter Kinder- und Jugendhospizdienst Löwenzahn Frankfurt
Frankfurter Volksbank eG
IBAN DE52 5019 0000 6200 3636 45
BIC: FFVBDEFF

(Text/Foto: BT)

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