Der Frankfurter Verein FeM e. V. ist aus der Feministischen Mädchenarbeit mit dem Ziel der Gleichberechtigung von Mann und Frau in der Gesellschaft entstanden. Die Gründung liegt nun über 33 Jahre zurück. Das von Frauen initiierte Projekt war zunächst ein offenes Beratungsangebot für Mädchen, die körperlicher oder auch psychischer Gewalt ausgesetzt waren. Heute ist es ein Verein mit großem Engagement zum Schutz von verzweifelten Mädchen und jungen Frauen. Welche unterschiedlichen Möglichkeiten offenstehen und wie sich der Verein weiterentwickeln will, erklärte uns Nicole Kreja verantwortlich für den Bereich Fundraising im Interview.

Beate Tomann: Wie findet ein junges Mädchen in Not den Weg zu Ihnen?

Nicole Kreja: Die Mädchen finden über das Internet, Plakate in den U-Bahnen, Lehrer*innen oder Schulsozialarbeiterinnen zu FeM. FeM betreibt in der Eschersheimer Landstraße am Weißen Stein einen Mädchentreff, der als offene Bildungs-, Kultur- und Freizeiteinrichtung für Mädchen zwischen 10 und 16 Jahren angeboten wird. Während Corona gab’s dort Lunchpakete-to-go, einen regelmäßigen Online-Lernraum und Spaziergänge. Oft braucht es Mut, um sich Hilfe zu holen. Seit einigen Jahren bieten wir die Online-Beratung an, gefördert vom Frauenreferat. Im Schutz der Anonymität ist es für die Mädchen leichter, sich den Pädagoginnen anzuvertrauen. Der große Wert dieser neuen Beratungsform hat sich während der Pandemie einmal mehr bestätigt: Das Spektrum des Zuganges reicht vom „Offenen Forum“ über den Einzel-Chat mit Beratungsaspekten bis zur sicheren Zone, in der sich die Mädchen auch unter einem Pseudonym / Nickname öffnen können. Dabei rutscht das Fähnchen für den schnellen Ausstieg immer mit über die Seite.

„Schnell weg!“ ist der Panikknopf, wenn jemand um die Ecke kommt, der den Hilfeschrei nicht sehen soll. Hat sich die Situation der Mädchen während der Pandemie verändert?

Aufgabe unserer Organisation ist, Mädchen vor Gewalt bestmöglich zu schützen. Deshalb gibt’s diese Ausstiegmöglichkeit, denn wenn die gewaltbereite Persönlichkeit im Umfeld merken würde, dass das Opfer sich aus der Situation befreien will, hätte das sicher negative Konsequenzen. Leider sind die Anfragen aufgrund der unausweichlichen Situation im Zuhause der Mädchen angestiegen. Vor Corona konnten von Gewalt betroffene Mädchen sich der akuten Bedrohung z. B. durch den Besuch von Freunden, der freien Bewegung in der Stadt und Freizeit-/Sportaktivitäten entziehen. Jetzt wurde es schwieriger, einen Hilferuf zu formulieren. Die Beratungsstelle von FeM war keinen Tag geschlossen. Aufgrund der starken Nachfrage entwickeln wir Hilfsangebote permanent weiter. moBBI zum Beispiel steht für mobile Beratung und Begleitung zur Intervention bei Gewalt. Für die Zielgruppe der 18- bis 21-jährigen Frauen wurde 2017 eine spezielle mobile Beratungsstelle gegründet, die hochbedrohten Frauen dabei unterstützt, Anträge beim Jugendamt und Jobcenter zu stellen und zugleich eine Lebensperspektive zu entwickeln.

Wie weit geht das Angebot des Vereins?

Das kommt auf die Situation und die Stärke des Mädchens in ihrer Lage an. Grundsätzlich suchen wir „aus Sicht des Mädchens die beste Lösung“ (Zitat). Alles geschieht auf der Basis absoluter Freiwilligkeit. FeM arbeitet parteilich für die Mädchen. Wir haben den Bereich der anonymen Zuflucht – da sind neun Plätze in unserer Kriseninobhutnahme mit einem Zeitrahmen von drei bis zu zwölf Monaten. Hier stabilisieren sich die Mädchen. Gerade sind acht der Plätze beansprucht.

Welche Dimension haben die Gespräche und ermutigenden Beratungen?

Das pädagogische Team beim FeM Mädchen*haus Frankfurt leistet auf Basis jahrzehntelanger Beratung und professioneller Ausbildung eine höchst anspruchsvolle Arbeit. Missbrauch, sexueller wie psychischer Art, hinterlässt bei den Mädchen Verletzungen, Ohnmacht, Schmerz, Handlungsblockaden und Verzweiflung. Das Urvertrauen ist zumeist zerstört und es bedarf einer langen Reihe von positiven Erfahrungen und Entwicklungschancen, um den Alltag wieder gut zu meistern. FeM freut sich über jedes Mädchen und jede junge Frau, die mit gestärktem Selbstvertrauen zuversichtlich und selbstbestimmt ihren Weg geht.

Wie viele Frauen arbeiten in den Angeboten und wie sind sie ausgebildet?

Unser fest angestelltes Team besteht zurzeit aus 25 Frauen, die sich mit den oft sehr schweren und komplexen Themen beschäftigen. Es sind ausgebildete Sozialpädagoginnen, Sozialarbeiterinnen und Psychologinnen mit der Spezialisierung auf sexualisierte und psychische Gewalt. Fünf Kolleginnen arbeiten in der Beratung, zehn Frauen teilen sich die Betreuung in der Zuflucht, drei Frauen organisieren das Angebot des offenen Treffs und zwei weitere sind in der Notunterkunft tätig. Die Pädagoginnen bilden sich kontinuierlich weiter und nutzen ein bundesweites Netz von autonomen Mädchenhäusern und andere Fraueneinrichtungen, um Mädchen in Not die beste Hilfe zukommen zu lassen. Damit das Team nicht seine positive Kraft verliert, sorgt der Verein für Supervisionen und persönlichen Ausgleich.

Haben Sie das erleben dürfen? Diese Wandlung von der „Verletzung bis zum Erblühen der weiblichen Kraft?

Das schönste für uns ist, wenn es gelingt, die Mädchen darin zu begleiten und zu bestärken, die Gewaltsituation zu verlassen und sich sein eigenes, selbstbestimmtes Leben aufzubauen. Viele Mädchen und Frauen sind uns lange verbunden und lassen von sich hören. Manche von ihnen engagieren sich sogar als Schutzengel.

Wie geht es weiter? Haben Sie mit dem Verein Pläne für neue Formate?

Ja – wir arbeiten gerade an einem nachhaltigen Hilfsangebot für die Zielgruppe der 18 bis 25 Jahre alten Frauen. Im Vordergrund stehen Frauen, die zum Beispiel Gewalt durch Familienangehörige erleben oder von Zwangsheirat bedroht sind. Unterstützt von der Crespot Foundation wollen wir ab 2022 Schritt für Schritt ein mehrstufiges Wohn- und Betreuungskonzept mit mehr Notplätzen und Betreuungsangebot für junge Volljährige aufbauen.

Wie generieren Sie die Finanzen für das Gesamtangebot? Was für eine Bedeutung hat die Bezeichnung „Schutzengel“?

Das FeM Mädchen*haus Frankfurt hat sich seit seiner Gründung 1986 einen guten Ruf erarbeitet. Um Mädchen in Not unbürokratisch und schnell zu helfen, ist FeM auf Spenden angewiesen. Die Corona-Krise hat auch uns getroffen; im Jahr 2020 waren nur wenig Benefiz-Aktionen möglich. Wir hoffen sehr, das geht bald wieder. Ein wichtiges Standbein für die Arbeit von FeM sind die Schutzengel. Über 500 Frauen und Männer spenden an den Förderverein FeM e. V. monatlich 15 Euro und sind damit in unserem „Schutzengelprogramm“. Nele Neuhaus gehört zu den prominenten Fürsprecherinnen und ist Schirmherrin des Schutzengelprojekts. Sie wirbt dafür, ein Zeichen gegen häusliche Gewalt zu setzen. Es würde mich sehr freuen, wenn wir noch weitere Schutzengel finden könnten, um die Hilfsangebote von FeM für die Zukunft noch besser abzusichern.

Wir wünschen Ihnen, dass wir nicht nur unseren Beitrag mit diesem Bericht für Sie leisten. Es liegt uns auch am Herzen, unsere Leser zu motivieren, diese unglaublich respektable Leistung für die jungen Mädchen und damit für die Gleichberechtigung in unserer Gesellschaft zu fördern. Wir werden ab sofort 20 Prozent der Werbeeinnahmen von Anzeigen Frankfurter Unternehmen in einem Spendentopf für Sie sammeln.

(Text: BT / Fotos: Marion Lusar)

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