WESTEND (BT) | Das Ehrensiegel, ein Replika des alten Siegels der Israelitischen Gemeinde Frankfurt am Main – der im Nationalismus zerstörten Vorgängerin unserer Gemeinde – wird in unregelmäßigen Abständen an Personen verliehen, die sich über das Maß hinaus und aus vollem Herzen für die jüdische Gemeinschaft in Frankfurt eingesetzt hat. Eva Szepesi ist die 14. Trägerin des Ehrensiegel in Silber. Bisherige Preisträgerinnen und Preisträger waren unter anderem Dr. Walter Wallmann (1985), Holger Börner (1986), Ignatz Bubis (1987), Arno Lustiger (1996) und Volker Bouffier (2022).
Die Verleihung fand im Ignatz Bubis-Gemeindezentrum mit einem festlichen Programm statt. Den musikalischen Rahmen gestaltete die Violinistin Hagit Halaf mit dem Gitarristen Andrés Rosales. Die sehr persönliche und herzliche Begrüßung sprach Benjamin Graumann, Vorstandsvorsitzender der Jüdischen Gemeinde Frankfurt. Oberbürgermeister Mike Josef verantwortete die Laudatio, in der die Lebensgeschichte von Eva Szepesi und ihre unermüdliche Arbeit gegen das Vergessen mit großem Respekt vorgetragen wurde.
Mit erst 11 Jahren wurde sie von ihren Eltern weggeschickt, damit sie sich retten sollte, aber am Ende überlebte sie mit viel Glück den grauenhaften Ort in Auschwitz. Man hatte geglaubt, sie wäre schon Tod, deshalb blieb sie im Lager zurück und konnte bei der Befreiung durch einen russischen Soldaten gerettet werden. Nachdem sie zu Kräften gekommen war, kehrte sie nach Ungarn zurück. Ihre Familie fand sie nicht mehr. Verheiratet führte ihr Weg dann nach Frankfurt am Main. Zunächst nur für zwei Jahre und am Ende ist es ein ganzes Leben geworden. Ihre zweite Tochter ist hier geboren. Lange schwieg sie über ihr Schicksal, um ihren Kindern das Trauma zu ersparen, aber beim 50. Jahrestag der Befreiung reiste sie mit einer Frankfurter Gruppe der Gemeinde nach Ausschwitz. Und dort mit Jugendlichen fand sie ihre Worte, um ihre Geschichte zu erzählen. Es hat noch eine Weile gedauert, aber dann begann für sie eine unvergleichliche Reise, der Aufklärung, die sie in viele Schulklassen und sogar vergangenes Jahr in den Bundestag brachte. Mit 92 Jahren steht sie auf der Bühne und beeindruckt durch ihre, Präsenz, ihren Charme und den Mut immer wieder rauszugehen und ihre Geschichte zu erzählen.
OB Mike Josef bedauerte es, dass die Zeiten sich so gedreht haben, dass Frau Szepesi mit Polizei-Begleitschutz ihre Arbeit „Gegen das Vergessen“ machen muss. In ihrer Dankesrede ehrte sie alle Freunde, Unterstützer, Rednern und der Jüdischen Gemeinde für die Ehre, diese Auszeichnung zu erhalten. Ihre unermüdliche Arbeit wäre ohne ihre Familie, die ihr zur Seite steht, alle ihre Aktionen organisiert und sie zu den Terminen begleitet, nicht möglich. „Meine Mutter hatte mich mit elf Jahren auf die Flucht geschickt, in der Hoffnung, dass ich überlebe. So ist es meine Lebensaufgabe geworden für die zu sprechen, die nicht mehr sprechen können.“ Ihre Dankesrede beendete sie mit dem Wiegenlied ihrer Mutter, das wie folgt aus dem Ungarischen übersetzt wurde: „Lasst uns gegenseitig lieben, Kinder, denn das Herz ist der schönste Schatz. Ein schöneres Wort als die Liebe gibt es auf der ganzen Welt nicht. Das Leben zieht sowieso vorbei. Das Grab schließt alle ein. Deshalb lasst uns gegenseitig lieben, denn sonst ist es um jede Minute schad.“ Danach erhoben sich die 350 Gäste im Saal, um Eva Szepesi den größten Respekt zu erweisen.
Fotogalerie des Abends (Fotos Beate Tomann):
BU:
Eva Szepesi mit ihren beiden Töchtern. Anita (r.) und Judith (l.). Foto: BT
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