Ein Interview der etwas anderen Art führte Michael Kercher mit Frankfurts Bürgermeister Peter Feldmann. Was eigentlich zuerst als ein Interview mit Fragen zur Kommunalpolitik angedacht und geplant war, entwickelte sich zu einem lockeren Gespräch bei dem es mehr um persönliche Ansichten und um den Menschen Peter Feldmann ging als um Fragen zur Politik. DER FRANKFURTER eröffnet einen Einblick in das Gefühlswesen des Frankfurter Oberbürgermeisters und bekam dabei ein paar unerwartete und zauberhafte Antworten. Schon der Einstieg in das Gespräch drehte die Erwartungshaltung um 180 Grad. So begrüßte mich Peter Feldmann mit folgendem Satz: „Sollen wir jetzt Ihre Fragen abarbeiten oder einfach mal über Musik reden?“ In dem Wissen einen Musiker oder zumindest mal Schlagzeuger vor sich zu haben, gab mir Peter Feldmann die Steilvorlage für ein sehr persönliches Interview.

Michael Kercher: Über Musik rede ich immer gern; vor allem da ich ja beruflich eigentlich Schlagzeuger bin. Vielleicht können wir mal zusammen ein Konzert geben. (Grins). Spielen Sie ein Musikinstrument?

Peter Feldmann: Sagen wir’s mal so: Ich weiß, wo der Knopf vom Radio ist.

Da brauchen wir vielleicht doch noch ein paar Stunden Musikunterricht, aber welche Musik hören Sie denn am liebsten?

„Punk“ wie Clash oder auch Oldies.

Das hatte ich von einem künstlerischen Schöngeist nicht erwartet und bevor ich als Liebhaber von Jazz, Funk, Latin und Soul auf ungewohnten Punk-Parkett ins Rutschen kommen könnte, wechselte ich lieber die Tonart.

Wenn Sie zurückschauen. Was war das schönste Ereignis in Ihrem Leben?

Da gab es sogar zwei – die Geburten meiner beiden Töchter, die inzwischen 5 und 11 Jahre alt sind.

Als Vater von drei Töchtern würde mich sehr interessieren, ob Sie etwas von Ihren Kindern lernen konnten?

Dass die Verpackung manchmal mehr Spaß macht als das darin eingepackte Geschenk.

Haben Sie denn eine Vermutung, was sich Ihre beiden Mäuse gerne wünschen würden?

Ich befürchte einen Cluburlaub in einem Robinson oder Aldiana Club.

Sagen Sie Bescheid, wenn es losgeht. Dann werden wir mit meiner Band „the Gypsys“ die entsprechende Party schmeißen, aber warum befürchten Sie, dass dies ein Wunsch Ihrer Töchter sein könnte?

Nun ja, Cluburlaub ist nicht so wirklich meins.

Wie verbringen Sie Ihre Freizeit am liebsten?

Joggen, tauchen, Skifahren, früher das Motorrad. Aber natürlich auch mit meinen beiden Töchtern.

Wie viel Zeit verbringen Sie mit Ihrer Familie?

Leider immer noch zu wenig.

Haben Sie Zeit zum Lesen?

Ein wenig. Am liebsten lese ich Stefan Zweig.

Was würden Sie gern können?

Besser Heimwerken. Dafür habe ich aber einen erfolgreichen grünen Daumen.

Der immerhin das Radio anschalten kann. Kinder heranwachsen zu sehen verändert einen Menschen. Wenn Sie eine gute Fee wären – was würden Sie ändern?

Ich würde mit einem Zauberstab die Kinderarmut über Nacht verschwinden lassen.

Das kann ich als Vater sehr gut verstehen. Was hat Sie in den letzten 12 Monaten am meisten berührt?

Der Anblick des leuchtenden Weihnachtsbaums auf dem Römer – ein Zeichen der Hoffnung in sehr düsteren Zeiten.

Hat sich Ihr Freundeskreis verändert, seitdem Sie Oberbürgermeister sind?

In meinem Job braucht man ein paar Menschen, die mit einem durch dick und dünn gehen, die einem offen die Meinung sagen. Ich bin froh ein paar dieser Menschen meine Freunde nennen zu dürfen – und das nicht erst, seitdem ich Oberbürgermeister bin. Es tut mir gut und ist wichtig für mich, dass ich mir diesen Freundeskreis auch während meiner Amtszeit bewahren konnte.

Solch ein Amt und die damit verbundene Popularität kann sicher „Freunde“, die keiner braucht, herbeizaubern. Aber was kann solch ein Amt mit einem selbst machen. Macht Macht korrupt?

Nein. Macht ohne Kontrolle macht korrupt.

Was hat die Corona-Krise mit Ihnen persönlich gemacht? Wie sehen Sie die Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie, z.B. die Schließung der Sportplätze und das Sportverbot für Jugendliche? Speziell für Mannschaftssportarten.

Corona hat mir klargemacht, wie verletzlich das ist, was wir uns aufgebaut haben. Unsere Freiheit, unseren Wohlstand. Es ist nicht alles richtig gemacht worden. Vor allem die Schließung der Schulen sehe ich kritisch. Wir müssen Kinder und Jugendliche stärker mitdenken lassen.

Wir beschäftigen uns in sehr viel mit dem Thema Ehrenamt? Was bedeutet Ehrenamt für Sie?

Dass so viele Frankfurter sich in ihrer Freizeit für andere engagieren, nötigt mir viel Respekt ab. Nicht wir halten die Stadt am Laufen, sondern die Ehrenamtler. Konnte man in der Corona-Krise eindrucksvoll sehen.

Es gibt in meinem Umfeld viele Menschen, die sich für Frankfurt, aber auch für den Frankfurter Bürgermeister und für den Menschen Peter Feldmann interessieren. Ich selbst bin ja „gebürtiger“ Neu-Isenburger und habe ein paar Fragen herangetragen bekommen, welche ein paar Bekannte von mir Ihnen schon immer mal stellen wollten. Wären Sie bereit auch diese Fragen zu beantworten?

Aber selbstverständlich; das finde ich sogar überaus spannend. Nennen wir diese Fragen doch einfach mal die „Gaststar-Fragen“ (Feldmann lacht)

Ok, super und danke. Dann legen wir mal mit einem Kollegen von Ihnen los.
Herbert Hunkel (Bürgermeister Neu-Isenburg): Ich wollte schon lange den lieben Nachbarn mal fragen, ob er mal 100 Isenburger zu einem Empfang in den Kaisersaal einlädt und einen Vortrag über die besonderen Beziehungen zwischen Isenburg und Frankfurt hält?

Wenn anschließend 100 Frankfurter nach Isenburg dürfen – warum nicht?

Thilo Seipel: (Bürgermeisterkandidat FDP Neu-Isenburg): Wie gehen Sie mit Hasstiraden in sozialen Netzwerken um?

Ich achte darauf, diesen Mist nicht durch eine Reaktion meinerseits auch noch aufzuwerten.

Gene Hagelstein (Bürgermeisterkandidat SPD Neu-Isenburg): Wie möchte Peter Feldmann die notwendige interkommunale Zusammenarbeit im Rhein-Main-Gebiet intensivieren?

Indem ich noch stärker auf die Kommunen zugehe. Teils über Jahrzehnte haben Frankfurter Oberbürgermeister keinen Fuß in viele der kleineren Städte in der Region gesetzt. Ich habe das bewusst geändert. Ich zeige mich – zuletzt unter anderem in Nidderau. Und ich ermutige Kooperationen. Beispiel Wohnbau: Früher baute die ABG nur in Frankfurt, jetzt auch in Offenbach, Friedberg, Mörfelden-Walldorf, Sulzbach und Nidderau.

Dr. Boris Dinjus (Mediziner aus Frankfurt): Wann wird das Bahnhofsviertel wieder etwas ansehnlicher und die Versorgung der Abhängigen noch mehr gewährleistet? Siehe Niddastrasse des Grauens … noch nie in den letzten 20 Jahren war diese so runtergekommen.

Da muss in der Tat etwas geschehen. Einfache Antworten gibt es jedoch nicht. Es ist gut, dass die neue Koalition sich dieses Themas annehmen will – z.B. durch aufsuchende Sozialarbeit und Angebote für Drogenabhängige auch außerhalb des Bahnhofsviertels.

Michaela Sadewasser (Geschäftsführerin Mandelkern): Eine der wirksamsten Maßnahmen gegen steigende Mieten und Wohnungsknappheit ist Bauen. Die neue Koalition hat sich aber gegen 1.500(!) neue Wohnungen „Projekt Güntherburghöfe“ entschieden. Wie stellen Sie sich vor, dass wir das große Wohnraumproblem lösen können?

Durch – und vor allem preiswerteren – Wohnraum. Die neue Koalition will hier einen großen Schritt nach vorne machen. 50% sozialer Wohnungsbau bei Neubaugebieten plus 15% genossenschaftliches Wohnen und 5% studentisches Wohnen, 60% Förderquote bei ABG ebenfalls plus 15% und 5%. Dazu Mietsenkungen für sozial Schwache – das wäre mit CDU nie zu machen gewesen. Natürlich bleibt es bei den Planungen für preiswertes Frankfurter Wohnen im Nordwesten der Stadt und auf dem Pfingstberg.

Karl Heinz Schulz (Geschäftsführer Mandelkern und Erfinder des ersten Frankfurter Zukunftskongresses): Können Sie sich vorstellen, dass Frankfurt der weltweit führende Standort für Rechenzentren in puncto Nachhaltigkeit werden kann. Was müsste dafür passieren?

Ja, wir überlegen beispielsweise beim Bau von neuen Rechenzentren diese dazu zu motivieren eng mit einem Frankfurter Energieanbieter wie zum Beispiel der Mainova zusammen zu arbeiten, um schon beim Bau nachhaltige Energiegestaltung zu planen.

Udo Kandel (Geschäftsführer Volvo Zentrum Frankfurt): Herr Feldmann, ich würde Sie mal fragen, wie Sie das Thema Automobile in der Innenstadt sehen? Wir haben für eine Automarke in der Innenstadt viel Geld investiert. Für Fahrräder und Roller ist alles erlaubt und wird immer mehr Platz geschaffen. Für das Automobil wird es allerdings immer enger und Parkplätze werden weiter reduziert. Das wird ein großes Problem für den gesamten Einzelhandel, die Center wie das Main-Taunus-Zentrum freuen sich auf den Umsatz. Platz für Autohäuser und Lagerplätze werden nicht durch die Stadt angeboten. Deswegen konzentrieren sich viele Autohäuser darauf außerhalb von Frankfurt Flächen zu bekommen.

Ich bin leidenschaftlicher Autofahrer, ärgere mich auch über Staus oder wenn ich keinen Parkplatz kriege. Wahr ist aber auch: Heute gibt viel mehr Radverkehr, viel mehr ÖPNV. Diese Menschen haben auch ein Recht auf einen fairen Anteil am Verkehrsraum. Neue Straßen können wir in der Stadt nicht bauen. Wir können sie nur anders verteilen.

Torsten Müller (Geschäftsführer Möbel Flamme): „Mit welchen Events wollen Sie den coronagebeutelten Branchen helfen? Vielleicht mit einem Kulturwochenende, bei dem die ganze Stadt auf den Beinen ist und die Geschäfte Samstag und Sonntag bis 24 Uhr öffnen dürfen, überall Bands spielen und jedes Geschäft ein Teil der Erlöse spendet….“ – Ein Event welches über die Jahre zur Tradition wird.

Night Shopping und Kultur ist eine super Sache und wir versuchen solche Events schon für die Sommerferien in diesem Jahr auf die Beine zu stellen. Natürlich hängt das auch vom weiteren Verlauf der Pandemie ab. Allerdings wird es kein Night Shopping an Sonntagen geben, weil es in der Vergangenheit immer wieder erfolgreich Gerichtsbeschlüsse dagegen gab. Und wenn wir schon so etwas planen, dann soll es doch auch tatsächlich stattfinden.

Jürgen Vieth (Gastronom, Betreiber Rebstockbad, Stadionbad, Panorama Bad): Waren Sie früher wirklich im Waldstadion im Fan-Block G? Wenn ja; kennen Sie den Einpeitscher (Seemann)?

Natürlich bin ich Eintracht Fan! Schon seitdem ich ein kleiner Bub war. Gab es denn jemals einen anderen Einpeitscher? (Feldmann lacht)

Markus Echternach (Herausgeber Rhein Main Verlag): Was möchten Sie gerne machen, wenn Sie irgendwann mal in den verdienten Ruhestand gehen?

Archäologie studieren.

Welch tiefschürfende Aussichten. Damit sind hoffentlich alle Fragen zur vollsten Zufriedenheit beantwortet worden und mir bleibt nur ein ehrlicher Dank für die uns entgegen gebrachte Zeit und das vertrauen, uns diesen Blick hinter die Kulissen von Peter Feldmann zu gewährleisten. Ich hoffe, dass Ihre Wünsche in Erfüllung gehen, Ihre Pläne realisiert werden können und Ihre Töchter trotzdem noch viel Zeit mit ihrem Papa verbringen können.

Peter Feldmann: Ich möchte mich für dieses ungewöhnliche Interview bedanken und auch wenn ich jetzt ein paar Löcher in meinem Bauch habe und ganz schön ins Schwitzen gekommen bin, habe ich diese Zeit sehr genossen und wünsche dem Frankfurter und seinem Redaktionsteam alles, alles Gute.

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