RIEDERWALD | Gegründet im Jahr 1910 als Arbeitersiedlung, erzählt dieser Stadtteil eine einzigartige Geschichte, die in seiner Siedlungsarchitektur und dem charmanten Lebensstil seiner Bewohner weiterlebt. Die Zeit scheint hier stillzustehen, denn die ursprüngliche Siedlungsstruktur ist bis heute nahezu unverändert geblieben. Der namensgebende Riederwald mit seinem historischen Licht- und Luftbad erinnert an den Auenwald, der einst hier florierte. Auf rund 1000 Quadratkilometern beheimatet der Stadtteil rund 5000 Einwohner und zählt somit zu den kleinsten Frankfurts. Verkehrsgünstig angebunden durch die U-Bahnen U4 und U7, ist der Riederwald ein zeitloses Juwel, das die Vergangenheit in die Gegenwart trägt.

Die Schäfflestraße und das alte Torhaus

Geprägt vom expressiven Stil, zieht sie alle Blicke auf sich. Doch nicht nur ihre Gebäude sind bemerkenswert, auch das alte Torhaus, ein bedeutsamer Eingang zum Riederwald, ist ein Hingucker. Um den Verkehr zu beruhigen, hat die Stadt Frankfurt hier elf neue Bäume gepflanzt. Mit einer Investition von vier Millionen Euro für die Straßensanierung hat die Stadt den Charme dieser Allee bewahrt. Heller Straßenbelag harmoniert wunderbar mit den Häusern und verleiht der Schäfflestraße zusätzlichen Reiz. In den Sommermonaten erstrahlt der Riederwald dank dieser idyllischen, verkehrsberuhigten Straße regelrecht. Ein Charakteristikum sind die Vorgärten, die zum gemütlichen Stadtbild beitragen.

Die Straßennamen

Die Straßennamen im Riederwald erzählen eine interessante Geschichte. Die meisten von ihnen sind männlichen Nationalökonomen gewidmet. Der ältere Siedlungsteil ehrt Pioniere der Genossenschaftsbewegung wie Friedrich Wilhelm Raiffeisen und Hermann Schulze-Delitzsch. Im östlichen Teil des Stadtteils sind Volks- und Wirtschaftswissenschaftler präsent, beeinflusst durch die Namensgebung der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft AGB. Um Geschlechtergleichheit zu fördern, erfuhr der Schulze-Delitzsch-Platz eine Umbenennung zu Johanna-Tesch-Platz, womit erstmals eine Frau im Riederwald geehrt wurde. In 2019 erhielten zwei bisher namenlose Plätze weibliche Bezeichnungen: Marie Juchaz, eine Sozialpolitikerin, sowie Cäcilie Breckheimer, die von den Nazis ins KZ verschleppt wurde. Diese Umbenennungen verleihen dem Stadtteil eine facettenreiche Erinnerungskultur.

Wohnhaus der Sozialdemokratin und Reichstagsabgeordneten Johanna Tesch

Johanna Tesch, geboren am 24. März 1875 in Frankfurt, war nicht nur eine gebürtige Frankfurterin, sondern auch eine bemerkenswerte Persönlichkeit ihrer Zeit. Sie zählte zu den Mitbegründern des Bildungsvereins für Frauen und Mädchen und spielte eine führende Rolle im Verband der Haus- und Büroangestellten. Doch ihre politische Karriere setzte den wahren Stempel auf ihre Geschichte.

1919 gelang ihr als Mitglied der SPD Fraktion der große politische Durchbruch im Wahlkreis Hessen-Nassau. Sie erhielt ein Mandat der Weimarer Nationalversammlung und vertrat ihren Wahlkreis von Juni 1920 bis Mai 1924 im Reichstag. Selbst nach ihrer aktiven politischen Tätigkeit blieb sie eine engagierte Kämpferin für benachteiligte Frauen, nicht nur in ihrer Heimatstadt, sondern weit darüber hinaus. Ihre Haltung gegenüber dem aufkommenden NS-Regime führte zu ihrer Verhaftung am 22. August 1944 im Zuge der „Aktion Gitter“. Gefangenschaft im Frauen-KZ Ravensbrück folgte, und sie verstarb dort am 13. März 1945 infolge der Haftbedingungen. Die Gedenktafel am ehemaligen Wohnhaus (heute: Am alten Volkshaus 1), enthüllt 1995, erinnert an diese mutige Vorkämpferin für Demokratie und Gerechtigkeit.

Heilig-Geist-Kirche

Die Heilig-Geist-Kirche, eine katholische Stätte des Glaubens, thront in der Schäfflestraße. Im Gegensatz zu anderen Werken von Martin Weber präsentiert sie sich als schlichtes, kleineres Gotteshaus. Dennoch prangt das „Weberkreuz“ als Inschrift auf der Darstellung der „7 Gaben des Heiligen Königs“ an der Nordseite. Das Gebäude besticht durch Vierergruppen von Rundfenstern und farbige, lasierte Reliefs an den Westenden der Portale. Verbunden mit dem Pfarrhaus, wurden beide Grundstücke 1923 erworben, der Spatenstich jedoch erst 1930 gesetzt. Im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt, wurde die Kirche nach Luftangriffen wiederaufgebaut, um ihre spirituelle Bedeutung fortzusetzen.

Die Riederhöfe

Die Geschichte der Riederhöfe reicht weit zurück und verbindet sich mit der Wehrhaftigkeit Frankfurts. Erstmals erwähnt im Jahr 1193 als „Curtis in Riederin“, legt dies nahe, dass die Höfe zu dieser Zeit errichtet wurden. Zunächst königlicher Besitz, gingen sie später in den Besitz von Klöstern über. Im 13. Jahrhundert wurden sie von Frankfurter Patriziern erworben, die sie zu Wehrhöfen ausbauten. Der große Riederhof beherbergte ein romanisches Herrenhaus, das im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Die Ruine wurde nach dem Krieg abgetragen, um einem Lagerhaus Platz zu machen. Einzig das gotische Torgebäude bei Hanauer Landstraße 258-260 erinnert an die einstige Hofanlage.

Das Riederwaldstadion

Der Begriff „Stadion am Riederwald“ bzw. „Riederwaldstadion“ verweist auf zwei historische Sportstätten in Frankfurt am Main. Das aktuelle Fußballstadion mit Leichtathletikanlage diente von 1952 bis 1980 als Austragungsort für Eintracht Frankfurts Oberliga- und Bundesliga-Heimspiele und ist heute das Trainingsgelände der Eintracht Frankfurt. Doch nicht nur Profis trainieren hier, das Stadion wird auch von den Eintracht-Amateuren, der Fußballjugend oder für Leichtathletik-Wettkämpfe genutzt. Die erste Stätte, mit dem selben Namen, befand sich von 1920 bis 1943 im Bornheimer Stadtteil, unweit des Ostparks und Riederwalds, wobei letzterer als Namensgeber diente.

Das Licht- und Luftbad (Ausflugstipp)

Das Licht- und Luftbad im Riederwald, errichtet um 1920, strahlt bis heute in seiner ganzen Pracht. Hier stehen Entspannung, Erholung, Spiel und Spaß im Mittelpunkt. Das Areal ist ein beliebter Treffpunkt für alle Altersgruppen. Ein weitläufiger Kinderspielplatz, reichhaltiger Baumbestand und ausreichend Sonnenflächen laden zum Verweilen und Spazieren ein. Jährlich werden betreute Feste und Spiele veranstaltet, die eine Vielzahl von Aktivitäten für Kinder bieten. Die Bewahrung des „Lilubas“ ist für den Stadtteil von besonderer Bedeutung, da es im Riederwald an Orten fehlt, an denen Menschen sich versammeln können. Das Licht- und Luftbad bleibt ein wertvoller Raum der Begegnung und Erholung im Herzen des Riederwalds.

(Text/Fotos: BG)

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