Frankfurt | Zu zweit saßen sie da: Dr. Barbara Scior mit einem Buch in der Hand, daneben ein Mädchen aus der vierten Klasse. Scior gibt dem Mädchen das Buch, damit sie beginnt ihr vorzulesen. Das Mädchen liest so gut, dass Scior ihr kaum noch Hilfestellungen geben muss. Plötzlich fragt das Mädchen „Lesen die anderen Kinder dir auch immer vor?“. Dies bejaht Scior. Das Mädel gucke daraufhin ganz neidisch und meint zur ihr: „Du hast es gut, dann wird dir ja immer vorgelesen!“.

Die Frankfurter Lesepaten gibt es bereits seit einigen Jahren. Sie gehen in Schulen und helfen Kindern dabei lesen zu lernen. Zwar müssen die Kinder hierfür zumeist den Unterricht verlassen, dennoch bekommen sie so eine Eins-zu-eins-Betreuung, die an einer öffentlichen Schule nun mal nicht möglich ist. Gerade langsame Lerner gehen so in der Schule oftmals unter und bekommen nicht die Betreuung, die ihrem Bedarf entspricht.

Dr. Barbara Scior ist eine der Gründerinnen der Frankfurter Lesepaten. Vor zwölf Jahren rief sie im Bürgerinstitut der Stadt Frankfurt an und fragte nach, wo es denn Bedarf gebe, Kindern beim Lesen zu helfen. Sie wurde damals an eine Schule im Gallus vermittelt und ist bis heute dortgeblieben. Jede Woche hilft sie manchmal einem, manchmal mehreren Kindern.

Seit sie damals ihre Arbeit in der Schule begann, war sie dort eine Einzelkämpferin. Sie lernte andere kennen, die ebenfalls allein an einer Schule als Lesepaten arbeiteten und so entstand der Gedanke, sich zusammenzutun und als Gruppe die Arbeit zu gestalten, indem man sich einen Namen gab, ein Ziel setzte und ein Programm entwarf. Nach Pressekonferenzen bewarben sich über 100 neue Interessenten, die an den Schulen untergebracht wurden. Inzwischen sind es zurzeit 400 aktive Lesepaten, die an 65 Schulen in Frankfurt arbeiten.

Interessenten, die selbst Lesepate werden möchten, müssen zunächst einmal an einem Erstgespräch teilnehmen. Hier entscheidet sich zumeist, ob jemand die Eignung besitzt, Lesepate zu werden. Die eigene Einstellung zu Kindern und dem Thema Pädagogik sind hier die entscheidenden Faktoren. Es findet eine Art Aufklärungsgespräch statt, bei dem über Lesekompetenzen und pädagogisches Feingefühl mit Kindern gesprochen wird. Viele Fragen über die Arbeit der Lesepaten können so bereits im Vorfeld geklärt werden.

In einem zweiten Schritt hospitiert der Interessent bei einem erfahrenen Lesepaten. So kann in Erfahrung gebracht werden, ob man sich die Arbeit mit Kindern im Grundschulalter überhaupt vorstellen kann. Sollte das Interesse nach der Hospitation bestehen bleiben, findet in einem dritten Schritt die Auswahl der passenden Schule statt. Bevorzugt werden Schulen in Wohnortnähe. Die Lesepaten besuchen die Kinder vormittags währen der Schulzeit. Es wird zumeist ein Kind, bei dem Bedarf einer individuellen Betreuung besteht, aus dem Unterricht geholt und mit ihm in einem anderen Raum gelesen. So kann das Kind frei vom Druck der Mitschüler in seiner eigenen Geschwindigkeit lesen.

Da die Arbeit am Vormittag stattfindet, wird sie meistens von Personen über 65 Jahre ausgeübt. Doch es gibt auch Berufstätige, die einem Kind noch vor ihrer regulären Arbeit Hilfestellung leisten. Interessenten sollten sich hiervon nicht abschrecken lassen, in manchen Fällen gibt es die Möglichkeit einer Nachmittagsbetreuung, zum Beispiel in einem Kinderhort. Betreuungen außerhalb des regulären Unterrichts sind zumeist schwieriger zu vereinbaren. Es bedarf nicht nur der Zustimmung der Eltern, sondern zum Teil auch der Bereitschaft, das Kind speziell hierfür an die Schule zu bringen, damit dort die Betreuung stattfinden kann.

Auch während der Corona-Pandemie haben sich die Lesepaten nicht davon abbringen lassen, Kindern Hilfestellungen zu bieten, zwar nicht mehr in den Schulen, doch online mit dem eigenen PC. Leider standen den Kindern nicht immer Computer zur Verfügung, da entweder die Eltern kein Gerät hatten oder sie es ihrem Kind im gewünschten Zeitraum nicht zur Verfügung stellen konnten.

Inzwischen findet die Arbeit wieder in den Schulen statt. Wenn auch Sie mehr über die Arbeit der Lesepaten in Erfahrung bringen möchten oder selbst Lesepate werden möchten, informieren Sie sich online.

Mehr Informationen finden Sie unter: www.die-frankfurter-lesepaten.de

(Text&Foto:TL)

 

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