Unsere Gesellschaft ist vielfältig. Unsere Sportwelt auch. Menschen mit Einschränkungen werden aus dem Sport oftmals herausgenommen oder in ihre eigenen Kategorien eingeteilt. In den Gehörlosen Turn- und Sportverein Frankfurt am Main 1908 e.V. (GTSV) gehen die Mitglieder freiwillig und das mit viel Spaß und Elan.
Wie auch in allen anderen Vereinen geht es den Mitgliedern um den Zusammenhalt und das Miteinander. Gleichgesinnte, denen ihre eigene Beeinträchtigung vor den anderen Mitgliedern nicht unangenehm zu sein braucht und keine Angst davor haben müssen, falsch verstanden zu werden.
Phillip Gloos, Vize-Präsident Abteilung Öffentlichkeitsarbeit des Vereins, ist seit 2017 Mitglied. Nach einem Umzug aus München wurde er Teil der neuen Gemeinschaft. Bereits früher war er Mitglied in einem Gehörlosensportverein. Diese Erfahrung hat ihn geprägt. Er wollte auch in seiner neuen Wahlheimat Frankfurt Teil eines Vereins sein. Er entschied sich daher bewusst für den GTSV.
Einer der ältesten Sportvereine für Gehörlose
Als einer der ältesten deutschen Sportvereine für Gehörlose hat der Verein eine über 100-jährige Tradition. Die Vereinsentwicklung wurde allerdings durch die beiden Weltkriege unterbrochen. Im Ersten Weltkrieg wurde dem Verein die Turnhalle genommen, da diese zum Kriegslazarett umfunktioniert werden musste. Ab 1919 konnte die Turnhalle dann wieder vom Verein genutzt werden. Durch die Machtübernahme der NSDAP mussten die jüdischen Mitglieder vom Verein ausgeschlossen werden. Viele Vereinsunterlagen sind verlorengegangen und die Vereinstätigkeit wurde stark behindert. Der Gründer Ernst Schmidt konnte den Verein nach 1945 wieder aufbauen und das Vereinsleben und die sportliche Tätigkeiten kamen nach und nach wieder in Gang.
Durch diese lange Historie ist der Verein auch kulturell wertvoll für Frankfurt.
Das Angebot ist so vielfältig wie die Mitglieder
Der Verein ist mit gerade mal 135 Mitgliedern, der größte Gehörlosensportverein in Hessen. Dennoch ist die Vielfalt der angebotenen Sportarten groß. Es gibt verschiedene Ballsportarten wie Fußball, Handball und Volleyball, doch auch Abteilungen wie Motorsport und Schwimmen sind mit dabei. Das Besondere: Im Verein ist es möglich, zwischen den verschiedenen Abteilungen zu wechseln. An einem Abend Fußball und am anderen die Schachpartien mitzuspielen, ist in diesem Verein kein Problem. Die Kosten für die Mitgliedschaft bleiben dabei gleich: für Erwachsene 120 Euro und für Ermäßigte (Schüler, Studenten, Azubis) 84 Euro im Jahr.
Der GTSV bietet sein Programm generationsübergreifend an. Vom Kleinkind bis zum Greis können alle daran teilnehmen. Mit den „FreeHands“ widmet sich der Verein auch der wichtigen Kinder- und Jugendarbeit. Sie sind für das Kultur- und Freizeitangebot des Vereins zuständig. Seit zwei Jahren ist das Projekt nun beim GTSV angelaufen, doch leider wurde es schnell mit Beginn der Pandemie beendet. Für das Ende der coronabedingten Einschränkungen sind einige Seminare und Workshops in Planung.
Ein weiteres Vorhaben ist die neue Abteilung für Leichtathletik beim GTSV. Der Verein wächst und wird durch seine ehrenamtlichen Trainer weiter nach vorne gepusht. Phillip Gloos war in seinem alten Verein noch im Leichtathletik-Team, bevor er in Frankfurt dann zu den Fußballern wechselte. Daher steht er persönlich sehr dahinter, die neue Abteilung zu gründen.
Hoch hinaus mit den Deaflympics
Größere Unfälle gab es beim GTSV auch nie. Im Gegensatz zu Hörenden spüren hörbeeinträchtigte Personen die Vibration des Bodens, wenn beispielsweise ein Ball auf dem Boden aufkommt. Sie spüren, dass etwas auf sie zukommt, meist intensiver als es bei Hörenden möglich ist. Auch kommt es Phillip Gloos so vor als sei bei ihm das Sehvermögen größer als bei Hörenden. So hat er hörende Geschwister, die nicht das gleiche periphere Sehen entwickelt haben.
Für Menschen mit Hörbeeinträchtigung ist es möglich in einen Verein mit Hörenden Sport zu treiben. Auch hier gab es bisher für die Spieler des Vereins keine Probleme. Wichtig ist, dass die Kommunikation stimmt und auf der anderen Seite Akzeptanz herrscht mit einer gehörlosen Person adäquat umzugehen.
Ziel des Vereins ist es, die Spieler darauf vorzubereiten eines Tages bei den Deaflympics (aus dem englischen deaf – „taub“ und Olympics „Olympische Spiele“) teilzunehmen. Der Verein hat hier schon mehrere erfolgreiche Mitglieder. Besonders die Abteilungen in Basketball, Fußball, Volleyball und Schach erreichen schon überregionale Anerkennung.
Doch es geht nicht nur um die Erfolge im Verein. Vielmehr geht es Gloos darum, Teil der Gemeinschaft zu sein: „Ich habe es nie bereut, Teil eines Vereins zu sein!“.
(Text & Foto: TL)