Interview mit Rainer Schecker, „Grüne Soße Papst“ in Frankfurt-Oberrad

Christopher George: Herr Schecker, Sie sind so etwas wie eine Bastion der Oberräder Gärtnereibetriebe mit einer sehr speziellen Liebe zu den sieben Kräutern der Grünen Soße. Kann man das so sagen?

Rainer Schecker: Wenn ihr das so sagt, möchte ich nicht widersprechen. Ich kann zumindest sagen, dass die Familie Schecker nachweislich seit über 1.000 Jahren in der Stadt Frankfurt ansässig ist. Im Gartenbau sind wir inzwischen in vierter Generation, das sind immerhin auch schon 200 Jahre. Ich selbst bin schon seit ich Kind bin, in die Gärtnerei eingebunden. Etwas anderes wollte ich auch nie machen. Die Spezialisierung auf die sieben Kräuter der Grünen Soße kam dann tatsächlich auch durch mich.

Stichwort Grüne Soße. Der Mai war ziemlich verregnet. Was sind die Besonderheiten beim Anbau der sieben Kräuter?

Bekanntlich beinhaltet die original Frankfurter Grüne Soße die Kräuter Borretsch, Pimpinelle, Kresse, Kerbel, Schnittlauch, Sauerampfer und Petersilie. Im Januar und Februar wächst davon noch überhaupt nichts, unsere Saison beginnt also Anfang März. Richtung Ostern – das war in diesem Jahr schon recht früh, will eigentlich jeder Frankfurter, der etwas auf sich hält, zumeist am Gründonnerstag, grüne Soße machen. Das ist bei uns dann schon Hauptsaison, die sich bis Ende Juni zieht. Danach geht es bis in den Dezember – und das Spiel geht von vorne los. Natürlich gibt es je nach Jahreszeit bestimmte Kräuter, die besser oder schlechter wachsen als die anderen. Kräuter sind Natur – wir haben also auch natürliche, nennen wir sie mal „Gegner“. Das ist vor allem das Wetter, das absolut nicht beeinflussbar ist. Deshalb steht bei uns auf den Päckchen auch „in veränderlichen Gewichtsanteilen“.

Wie äußert sich das ganz konkret im Anbau?

Jedes Kräutlein hat seinen eigenen Charakter. Vorletztes Jahr war es der Kerbel, der uns Ärger gemacht hat, letztes Jahr der Borretsch, der manchmal gesponnen hat. Und in diesem Jahr hatten wir zwar ausreichend Wasser von oben, aber durch die Kälte wachsen die Kräuter auch langsamer. Dieses Jahr ist der Sauerampfer unser „spezieller Kandidat“. Und die Petersilie, naja, die spinnt eigentlich immer. Aber so ist das Spiel mit der original (betont) Frankfurter Grünen Soße.

Wir hörten, Sie haben die „Frankfurter Grüne Soße“ vor ein paar Jahren als sogenannte geschützte geographische Angabe von der EU schützen lassen?

Tatsächlich trat vor circa 20 Jahren das erste Mal das Problem auf, dass Unternehmen aus München und Stuttgart tatsächlich „Frankfurter“ Grüne Soße auf den Markt gebracht hatten. Dabei ist die Grüne Soße ein Ur-Frankfurter Produkt. Man vermutet den Ursprung schon in der Zeit alter Kulturen, als angefangen wurde, Tiere zu domestizieren. Die daraus entstehende Milch wurde dann mangels Kühlmöglichkeiten auch mal sauer. Die Bevölkerung half sich damit, die Dinge die sie hatten, unterzurühren, um den Geschmack zu verbessern. Neben Honig gab es die Kräuter, die hier bis heute zum Teil noch wild auf den Feldern und am Bahndamm wachsen. So oder so ähnlich könnte der Vorläufer der Grünen Soße entstanden sein. Man munkelt, sogar Goethe hätte sie damals gerne auf seinem Teller gehabt.

Um die Frankfurter Grüne Soße als Kulturgut aus Frankfurt zu schützen, habe ich 12 Jahre gekämpft, viele Klippen umschifft und es schlussendlich geschafft, sie als geschützte geographische Angabe EU-weit schützen zu lassen. Damit reiht sie sich in die gleiche Stufe wie Parmaschinken und Champagner. Das hat dem Produkt sehr gutgetan, denn jetzt müssen für eine echte Frankfurter Grüne Soße die Kräuter auch aus Frankfurt kommen. So hat die Grüne Soße plötzlich bundesweite Aufmerksamkeit bekommen, und sogar berühmte Köche wie Herr Lafer hatten sie plötzlich auf dem Menüplan. Außerdem wird den Menschen immer wichtiger, zu wissen, woher ihre Lebensmittel tatsächlich kommen, sie möchten nicht auf Etikettenschwindel hereinfallen. Und das ist auch gut so.

Wie hat sich die erfolgreiche Eintragung nach einem so langen Kampf für Sie und Ihren Betrieb ausgewirkt?

Zuallererst war mir natürlich wichtig, dass die original Frankfurter Grüne Soße dort bleibt, wo sie ihren Ursprung hat. Viele Betriebe kaufen einen Großteil Ihrer Kräuter im Ausland zu. Das dann Frankfurter Grüne Soße zu nennen, ist also schon rein sachlich falsch. Mit dem Schutz hat sich das gewandelt. Vor 20 Jahren wäre es undenkbar gewesen, nur von den sieben Kräutern der Grünen Soße zu leben. Inzwischen sind wir ein darauf spezialisierter Betrieb. Weltweit gibt es inzwischen nur noch zwei Betriebe, die die original Frankfurter Grüner Soße herstellen. Einer davon sind wir. Und sehr stolz darauf. Natürlich ist es schwer, sich um die teilweise recht zickigen Kräuter gleichermaßen zu kümmern. Das ist wie in einer großen Familie, einer spinnt immer. Aber außer bei der Petersilie, die in Deutschland im Winter schlicht und einfach nicht wächst – die erste Petersilie kommt in Frankfurt erst im Mai – ist das machbar. Man muss natürlich ein bisschen um die Ecke denken, wir haben im Laufe der Jahre vieles anders gemacht als in der Landwirtschaft üblich. Inzwischen benutze ich andere Maschinen bei der Aussaat, pflege die Kräuter anders als es im Lehrbuch steht, ernte anders. Wir haben unsere Anbaumethoden auf die sieben Kräuter spezialisiert. Das hat ein paar Jahre Erfahrung gebraucht, es war und ist anstrengend, aber ich mag das – einfach kann ja schließlich jeder!

Jetzt läuft uns das Wasser im Mund zusammen. Wo bekommen wir nun die original Frankfurter Grüne Soße her?

In unserem Hofladen in der Tellersiedlung in Frankfurt-Oberrad, der immer freitags und samstags geöffnet hat, und natürlich in unserem „Scheckers Kräuterhex‘“-Mobil donnerstags und samstags auf dem Bauernmarkt auf der Konstablerwache.

Haben Sie einen Tipp für uns, wie man die Grüne Soße am besten zubereitet?

Sehr gerne, hier ist unser Familienrezept, das ich sehr gerne mit den Lesern von DER FRANKFURTER teilen möchte:

Zutaten für sechs Personen:

  • 1 Bund Grüne Soße Kräuter
  • ½ EL Weinessig
  • 250 g Saure Sahne oder Schmand
  • Salz, Pfeffer
  • 6 hart gekochte Eier

Zubereitung:

Grüne Soße Kräuter putzen, waschen und klein hacken. Den Weinessig und die Kräuter vermischen, die Sahne/den Schmand dazu und das Ganze mit Salz und Pfeffer abschmecken. Die hart gekochten Eier grob hacken und unterheben.

(Text: CG)

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