Interview mit Bernd Reisig nach der Katar-Reise mit Nancy Faeser

(BT/BR) Eine Reise mit Bedeutung traten die Frankfurter Bernd Reisig und Benjamin Näßler an. Die beiden sind die Initiatoren der Unterschriftskampagne gegen Homophobie in Katar während der Fußballweltmeisterschaft. 50.000 Unterschriften konnten in dieser Petition gesammelt werden. Bernd Reisig berichtete im Interview über die Eindrücke und die erreichten Ziele. Die letzte Frage bezieht sich auf die Äußerung von Katar-WM-Boschafter Khalid Salman.

Wie kam es zur Reise nach Katar?
Die Bundesinnenministerin Nancy Faeser, die ja auch für den Sport zuständig ist, hat uns von der Initiative „Liebe kennt keine Pause – gegen Homophobie in Katar“ eingeladen bei dieser Reise dabei zu sein. Ihr Anliegen war es, dass die LGBTQ+ Community auch vertreten ist und auf die Probleme in Katar vor Ort hinweisen kann und gemeinsam mit ihr versucht, Verbesserungen zu erreichen.

Warum lag Dir und Benjamin die Kommunikation so am Herzen.
Es gibt viele Menschen, die einen Boykott der WM fordern. Wir haben einen anderen Ansatz. Natürlich darf zukünftig eine Weltmeisterschaft nicht mehr ohne Berücksichtigung von Menschen- und Arbeitsrechten vergeben werden. Keine Frage, aber jetzt ist es wie es ist und nun ist unser Ziel, wenigstens Verbesserungen zu erreichen. Der Dialog ist die einzige Chance, um Veränderungen herbeizuführen. Was ist denn die Alternative außer sprechen? Auch wenn es oft mühselig ist und es aus unserer Sicht nur kleine Schritte sind, ist miteinander sprechen alternativlos.

Ist die Reise zustande gekommen durch das Engagement der Initiative „Liebe macht keine Pause“?
Ja, Nancy Faeser ist ja auch Botschafterin unserer Kampagne und wollte auch unbedingt, dass wir, Benjamin Näßler und ich, gemeinsam mit ihr und der Delegation nach Katar reisen, um damit auch schon vor der Reise ein deutliches Zeichen zu setzen. Und das ist ihr mehr als gelungen. Vor Beginn der Reise waren einige Personen not amused, dass wir dort mit hinfliegen sollten. Aber die Bundesministerin war da sehr klar und standhaft und hat unsere Teilnahme nicht nur initiiert, sondern auch gegen alle Widerstände verteidigt.

Was war Euer Ziel?
Reden und Verbesserungen erreichen. Natürlich gibt es auch Kritiker, die uns sagten, man solle da nicht hinfliegen und Gespräche führen, sondern generell alles boykottieren. Für uns ist es aber wichtig, für die queeren Menschen während der Weltmeisterschaft Sicherheitsgarantien zu erreichen, um sicherzustellen, dass sich dort jeder frei bewegen kann, egal wie und wen man liebt.

Wie war die Kommunikation und was genau konnte erreicht werden?
Es war eine schwierige Reise. Für die Kataris ist Homosexualität noch immer ein sehr schwieriges Thema. Es geht auch nicht darum, ob wir dafür Verständnis aufbringen, sondern vielmehr um die Art und Weise, wie man in einen Dialog eintritt. Uns war bewusst, dass man sich in Katar mit der LBGTQ-Community schwertut. Wir fordern Respekt vor unserer Lebensweise, müssen aber dann auch mindestens genauso respektvoll unseren Gesprächspartnern gegenüber auftreten. Das haben wir getan, wohlwissentlich, dass man uns eigentlich lieber nicht bei den Gesprächen dabeigehabt hätte. Und aus diesem Spannungsverhältnis ist dann mehr entstanden, als wir zu Beginn der Reise erhofft hatten.

Was bedeutet in diesem Zusammenhang – Garantien und Sicherheit?
Wir wurden in den Gesprächen sehr konkret, haben die Themen abgefragt. Was ist mit Regenbogensymbolen, was ist mit Pärchen, die sich im Stadtbild als solche offen zu erkennen geben, was ist mit Händchen halten von queeren Menschen. In all diesen Fragen gab es klare Zusagen, ja könnt ihr tun. Das sind für Katar Riesenzugeständnisse, für uns erscheinen sie selbstverständlich. Es gab aber auch Einschränkungen, die wir wiederum akzeptiert und auch verstanden haben, zum Beispiel darf man in keiner Moschee mit Regenbogensymbolen. Das fanden wir auch ok.

Wird das auch nachhaltig auf die Menschen in Katar Wirkung haben?
Diese Frage treibt uns natürlich auch um. Unser Wunsch wäre natürlich, dass sich mit der WM und den dort geltenden Zugeständnissen nach diesem Großereignis auch die Lebenssituation der in Katar lebenden Menschen verbessern würde. Und natürlich wäre es sehr enttäuschend, wenn nach Ende der WM wieder alles ins Bisherige fallen würde. Wir haben leider darauf wenig Einfluss. Man sollte unbedingt im Dialog bleiben. Vielleicht sieht man auch in Katar, dass die Liebe bunt und vielfältig ist und das es eine Gesellschaft, eine Kultur bereichert. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Und wenn man wenigstens mal vier Wochen so leben konnte, wie man ist, dann lässt sich diese Tür der Freiheit vielleicht nicht wieder so einfach verschließen. Das mag ein wenig naiv klingen, aber auch die vier Wochen sexuelle Vielfalt sind besser als Garnichts.

Was hat Euch am Ende der Reise am meisten gefreut oder beeindruckt?
Uns hat sehr gefreut, dass die Bundesinnenministerin trotz massiven Drucks in ihrer Haltung stabil geblieben ist und uns in den wichtigen Gesprächen immer mitgenommen hat. Vielmehr: es war ihr immer wichtig, dass wir unsere Standpunkte vortragen konnten. Sie hat sehr eindrucksvoll gezeigt, dass ihr die Lebensweise und auch die Sicherheit der queeren Menschen sehr am Herzen liegt.
Es war aber auch beeindruckend, wie man deutlich spürte, dass wir in nur zwei Tagen im Dialog einen Zugang zueinander gefunden haben. Völlig unterschiedliche Auffassungen haben sich angenähert und versucht, aneinander etwas zu verstehen. Das war nicht selbstverständlich und schon gar nicht vorhersehbar.

Fährst Du zur Fußball WM?
Wir überlegen das noch. Wir haben in einem Gespräch die Kontrolle der Zusagen und Vereinbarungen angesprochen, worauf man uns sagte: Ihr seid herzlich Willkommen zur WM und könnt es euch vor Ort anschauen. Man hat sogar eine offizielle Einladung durch die FIFA ausgesprochen. Wir schauen mal, was die nächsten Tage noch passiert und entscheiden dann, was wir tun.

Der Katar-WM-Botschafter Khalid Salman hat in einem ZDF-Interview sich gerade sehr abfallend über Homosexuelle geäußert. Er bezeichnete Homosexualität als „geistigen Schaden“ und forderte queere Menschen auf, die Regeln seines Landes zu beachten. Was sagst Du dazu?

Ich war entsetzt als ich diese Aussage gelesen habe und sie steht im krassen Widerspruch, zu dem, was wir vor Ort in Katar mit den Verantwortlichen besprochen und vereinbart haben. Seine persönliche Homophobie interessiert mich nicht. Überall auf der Welt gibt es Menschen, die sich so dumm äußern. Aber eines sollte mittlerweile jedem Verantwortlichen in Katar klar sein. Wir können und werden nicht „ihre Regeln“ akzeptieren. Ihre Regeln bedeuten nämlich für Homosexuelle Gefängnisstrafe und Verfolgung. Das ist nicht zu akzeptieren. Katar hat sich ein internationales Großereignis ins Land geholt und muss jetzt die Regeln, die in der Welt gelten und auch die, die in die FIFA-Charta stehen akzeptieren: Vielfalt, Toleranz, Offenheit und sexuelle Gleichstellung. Es ist kein nationaler sondern ein internationaler Wettbewerb. Das hätte man bei der Bewerbung bereits bedenken sollen.

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