SACHSENHAUSEN | Wasserhäuschen gehören zu Frankfurt wie die „Grie Soß ´uff die Kartoffeln“. Und Hubert Gloss gehört ans Wasserhäuschen wie der „Ebbelwoi ins Gerippte“. Er ist wahrscheinlich Frankfurts größter Büdchen-Fan: Gloss wurde 1957 im Frankfurter Nordend geboren und gehört zu den echten Urgesteinen dieser Region. Als „Lokalpatriot“ spendet er all seine Aufmerksamkeit der schönen Heimat und sein Fotografen-Auge hat einige besondere Momente in und um Frankfurt aufgezeichnet.

Gloss ist Kunstfotograf und freier Journalist. Den großen Durchbruch schaffte er mit seinen Aufnahmen von Wasserhäuschen. Seit über einem Vierteljahrhundert setzt er sich für deren Erhalt ein. Als „Wasserhäuschen“-Lotse (Stadtführer) zeigt er jeden Monat auf verschiedenen Touren, wo die schönsten Büdchen stehen. Wir haben das Frankfurter Original zum Interview getroffen und durften vorab einen Blick in sein neues Fotobuch „Frankfurter Kiosk-Kultur“ werfen. Es erschien Anfang Mai im Bodenstaff Verlag. Das erste Büdchen stellten wir bereits in der letzten Ausgabe DER FRANKFURTER vor.

Herr Gloss, wie kamen Sie dazu, ein Buch über Wasserhäuschen zu veröffentlichen?

HG: Vor über 30 Jahren habe ich bereits damit begonnen, Punks für den Frankfurter Kunstverlag Michel&Co zu fotografieren. Sie wollten diese auf Postkarten abdrucken.  Bereits davor war ich im fotografischen Bereich tätig. 1987 veröffentlichte ich den Bildband „PUNX“. 1991 hat derselbe Verlag angefragt, ob ich auch Postkarten über Wasserhäuschen anfertigen möchte. Begeistert sagte ich zu und habe es bis heute nicht bereut. Inzwischen gibt es 130 Fotoansichten von Büdchen in Frankfurt. Durch diese Fotos bekam ich das erste Mal Aufmerksamkeit aus der breiten Masse und konnte mir als Künstler einen Namen machen.

Wie hat das mit der Kunst bei Ihnen angefangen?

Schon als Kind habe ich gerne gemalt und gebastelt. Was die Fotografie anbelangt bin ich ein Autodidakt. So konnte ich es als ungelernter Fotograf schon ziemlich weit bringen. Außerdem habe ich später auch für Zeitungen wie Frankfurter Neue Presse und Frankfurter Rundschau als Journalist gearbeitet. Auch Schreiben ist eine Art der Kunst, doch die Fotos haben mich immer mehr gefesselt.

Warum erachten Sie Wasserhäuschen für die Frankfurter Kultur als wichtig?

Inzwischen sind Wasserhäuschen doch zur echten Rarität geworden. Kaum mehr als 80 freistehende Wasserhäuschen sind noch übrig. Es sind einfach beliebte, barrierefreie, soziale Treffpunkte im Viertel. Wer seine Nachbarn kennenlernen möchte, kann am Wasserhäuschen auf sie warten. Hier kann man noch seine Meinung sagen, freies Babbeln ist Teil der Büdchen-Kultur. Öden Plätzen kann durch Wasserhäuschen neues Leben eingehaucht werden.

Da es die kunterbunten Häuschen nur hier gibt, sind sie eben auch eng mit Frankfurt verbunden und geben unserer Stadt ihren einzigartigen Charme.

Wer gerne mehr über die Wasserhäuschen erfahren möchte, kann gerne mal auf eine Wasserhäuschen-Tour mitkommen.

(Führungen finden Sie auf www.frankfurter-stadtevents.de/guide)

Was unterschiedet für Sie den normalen Kiosk vom Wasserhäuschen?

Meine Definition eines Wasserhäuschens ist ein freistehendes Haus mit einem Tresen, auf dem ich mein Bier abstellen kann, außerdem hat es ein Sortiment mit heimischem Bier und gemischter Tüte. Bier und gemischte Tüte, die gehören für mich sowieso zusammen (lacht).

Finden Sie die Wasserhäuschen-Pächter bekommen genug Unterstützung durch die Stadt?

Leider ganz und gar nicht. Ich habe eher das Gefühl, dass die Büdchen-Pächter vertrieben werden sollen. Dabei schmückt sich die Stadt doch so gerne mit ihren einzigartigen Wasserhäuschen. Die Pachtverträge zwischen der Stadt Frankfurt und der Radeberger Gruppe sollen gekündigt und direkt von der Stadt übernommen werden. Der Ärger begann damit, dass Radeberger festlegte, dass die Pächter lediglich ihre Produkte vertreiben durften. Außerdem gab es eine Mindestabnahme an Getränken. Dass das nicht immer einfach für die verschieden großen Büdchen-Besitzern ist, ist klar. Doch auch Radeberger hatte Verpflichtungen als Verpächter, wie die Wasserhäuschen in Stand zu halten. Statt sich darum zu kümmern, wurde diese Pflicht auf die Betreiber abgewälzt. Ich finde das unerhört. Erst wenn die bunten Büdchen weg sind, wird man merken, was man vermisst. Hoffen wir, dass die Stadt eine bessere Regelung findet.

Was jedoch auch noch festzustellen ist: Es gibt keine Neugründungen von Wasserhäuschen. Das Planungsamt der Stadt will die Büdchen nicht wirklich. Schon vor zwei Jahren forderte ich in einer Petition vier neue Wasserhäuschen am Main und es ist nichts geschehen. Dabei sind Wasserhäuschen Bestandteil und Bereicherung von öffentlichen Plätzen.

Wo ist ihr Buch erhältlich?

Im Handel wird das Buch im Querformat im Hessenshop und im Kaufhaus Hessen für 12,95 Euro zu finden sein.

Welche Wasserhäuschen-Ideen haben Sie noch umgesetzt?

Ach, da gibt’s einiges. Bereits 2014 habe ich gemeinsam mit Oliver Kirst und Boris Borm das „Frankfurter Wasserhäuschen Quartett“ herausgebracht. Inzwischen konnte ich mit Boris Borm auch noch ein Memory-Spiel herausbringen, das „Frankfurter Wasserhäuschen Duett“. Auf 72 Karten werden so einige Büdchen abgebildet und nach den normalen Memory-Regeln der passende Bildpartner dazu gesucht.

Gibt es noch etwas, das im Bezug zu den Wasserhäuschen noch wichtig für Sie ist?

Ja, denn nach dem Bruch mit Radeberger hat die Stadt die Möglichkeit nun Probleme wie fehlende öffentliche Toiletten zu beheben. Jüngst konnte die Stadt 30 Wasserhäuschen übernehmen. Angeblich auch, um das bisher ungelöste öffentliche WC-Problem halbwegs zu lösen. Doch nur mit dem Bestand an Büdchen lässt sich die Misere nicht in den Griff kriegen. Manche Trinkhallen-Pächter lassen die Kunden nicht auf die Toilette und begründen das mit der Pandemie und viele Pächter sind einfach ungeeignet, sich auch noch darum zu kümmern. Öffentliche Toiletten gehören in professionelle Hände, wie das FES-Klo am Römer. Ja, das kostet Geld, doch die Stadt drückt sich seit Jahrzehnten, das Problem ordentlich zu lösen. Jeder Besucher ist bereit, für eine saubere Toilette 50 Cent zu bezahlen. Automatische Toiletten, wie die am Holzhausenpark, sind oft defekt und haben die Staatskasse mit mehr als 130 000 Euro belastet. Da sollte sich doch endlich eine Lösung finden lassen.

Vielen Dank Herr Gloss, dass Sie sich die Zeit genommen haben uns, in die Welt der Wasserhäuschen eintauchen zu lassen. 

Sehr gerne.

(Text&Foto: TL)

 

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