ALTSTADT-RÖMER | Die FDP-Politikerin Stephanie Wüst ist seit dem 9. September des vergangenen Jahres im Amt. Am Mittag des gleichen Tages räumte sie den Arbeitsplatz bei der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände (VhU), um dann nach der Wahl zur Dezernentin für Wirtschaft, Recht und Reformen direkt im Römer ihre Aufgabe aufzunehmen. Eine Herausforderung, der sich die junge Frau (32) mit Empathie, Energie und Weitblick stellt. Als persönliche Unterstützung steht ihr neben einem fachlich, wie menschlich tollem Team die Siberian-Husky-Hündin mit dem Namen Alaya zur Verfügung. Im persönlichen Gespräch mit DER FRANKFURTER Verlagsleiter Normann Schneider und Redaktionsleiterin Beate Tomann berichtete sie über ihre aktuellen Einblicke in den Arbeitsbereich, dessen Außenwirkung und Visionen.

Für was steht Frankfurt – abgesehen von Banken – in Sachen Branchenvielfalt?

Meine ganz persönliche Mission ist es, die Vielfältigkeit unserer Branchen und Unternehmen mehr ins Licht zu bringen – Frankfurt ist Finanzmetropole, steht aber auch für Industrie, Handwerk, Logistik und ist IT- und Kreativstandort. Faszinierend und wichtig finde ich darüber hinaus unsere Startup-Szene, die sich in den letzten Jahren schon gut entwickelt hat. Ich stelle mir vor, dass Frankfurt in ein paar Jahren „der Standort für Innovation und Gründer in Deutschland“ wird. Dazu braucht es einen Nährboden, den ich ganz stark auch in unserer Lebensqualität sehe. Mir ist es wichtig, dass die Stadt zum Bleiben einlädt. Dazu gehört eine lebendige Kulturszene, Kunst und Musik-Angebote, ein vielfältiges Einzelhandels- und Gastronomieangebot, sowie eine einzigartige Bar- und Clubszene.

Was ist mit der Kreativbranche? Hier hat sich Frankfurt einen Namen gemacht. Wie geht es hier weiter?

Die Koalition hat sich zum Masterplan Kreativwirtschaft bekannt – ich setze die Ziele um. Das “HOCI – House of creativity and innovation“ ist in Vorbereitung. Wir wollen die Kultur- und Kreativwirtschaft in Frankfurt verorten – der Ort steht aber noch nicht fest. Wir wollen aber in die Innenstadt, damit das HOCI ein interaktiver Begegnungsort wird. Im Mittelpunkt sollen Kreativität und Kommunikation stehen. Das Konzept wird derzeit mit vielen Akteuren der Branche abgestimmt. Das ist eines meiner spannenden Projekte, über dessen aktuellen Stand ich heute leider noch nicht mehr sagen kann.

Ist Frankfurt nun Weltmetropole oder auch ein regionaler Player?

Wir messen uns mit den globalen Wettbewerbssituationen und dennoch sind wir beides. Das wirklich Spannende an Frankfurt ist, dass die Stadt ein Kaleidoskop an Spitzenleistungen bieten kann. Viele Geschichten und Unternehmenserfolge befinden sich unweit der Bankentürme und sind dabei von internationaler und auch regionaler Strahlkraft. An der Sichtbarkeit dieser Unternehmen will ich durch meine Arbeit positiv einwirken. Wir sind bekannt als internationaler Bankenplatz. Aber neben dieser Spitzenposition bauen wir an weiteren Visionen der Stadt. Regionalität ist heute schon in vielen Ecken Trumpf. Angefangen von unseren Erzeugermärkten bis zur starken Handwerkspräsenz. Logistik und der Flughafen macht uns zusätzlich stark.

Was braucht Frankfurt mehr – digitale Unternehmen oder Handwerker?

Wir leben von der Vielfalt. Es braucht für ein gut aufgestelltes Frankfurt alle Branchen und nur so konnten wir die letzten schwierigen Jahre hier in Frankfurt überstehen. Die Gewerbsteuer schwächelte wesentlich weniger als erwartet.

Wo wird künftig der Schwerpunkt Wirtschaftsförderung Frankfurt liegen?

Mir liegen mindesten drei Bereiche am Herzen. Frankfurt soll der Magnet für Startups und Innovationen sein. Hieran arbeitet unser Bereich Wirtschaftsförderung mit großem Ehrgeiz. In Konsequenz braucht es hier nicht nur Gründungsunterstützung. Es braucht Microdarlehen genauso wie große Innovationsfonds. Zweitens müssen wir Konzepte für Industrie und Handwerk entwickeln. Hier werden wir beispielsweise den ersten Handwerkerhof entwickeln und arbeiten an einem stadtweiten Konzept. Der dritte Bereich ist der Bereich der Banken und Finanzen. Gerade ist es gelungen, den Hauptsitz des ISSB (International Sustainability Standards Board) an unseren Finanzplatz zu holen. Das Gremium beschäftigt sich mit dem Schwerpunkt der weltweiten Standards für Nachhaltigkeit im Finanzbereich. Das passt doch wunderbar zu uns nach Frankfurt. Das Thema Nachhaltigkeit treiben wir in den verschiedensten Bereichen in der Stadt voran. Und ich sehe weitere Potentiale für den Standort: Auch die Bundesebene bekennt sich zum Finanzplatz Frankfurt und spricht sich dafür aus, dass Frankfurt sich als Sitz der EU-Geldwäschebekämpfungsbehörde (AMLA) bewirbt.

Was sind Ihre Gedanken /Maßnahmen, um dem Fachkräftemangel zu begegnen?

Ohne Lebensqualität in Form von Kulturangeboten, eine attraktive Schullandschaft und der Vernetzung der einzelnen Branchen durch Branchenverbände oder Anlaufstellen wie die Kammern können wir weder Fachkräfte hier halten noch neue zu uns ziehen. Die Wirtschaftsförderung arbeitet außerdem sehr eng mit den internationalen Communitys zusammen. Gemeinsam mit meinen Kolleginnen Stadträtin Eskandari-Grünberg und Stadträtin Rinn engagiere ich mich für eine bessere Willkommenskultur für Fachkräfte aus dem Ausland. Und auch die Zugänge zur Stadtverwaltung wollen wir künftig internationaler denken. Die Vielfarbigkeit unserer Stadt ist die Basis. Den Mangel an attraktivem, bezahlbarem Wohnraum können wir in Frankfurt nicht allein bewältigen, weshalb eine gute verkehrliche sowie eine interkommunale Vernetzung im Rhein-Main-Gebiet enorm wichtig sind.

Wo ist Ihr persönlicher Lieblingsplatz in Frankfurt?

Wenn ich darüber nachdenke, fallen mir sehr viele Plätze ein. Ich komme aus Niederursel und lebe heute in Eschersheim. Frankfurts Stadtteile haben alle ihren Charme. Konkret würde ich aber das Mainufer, insbesondere der schöne Blick von der Ignatz-Bubis-Brücke aus, und den Palmengarten benennen.

(Text: BT)

 

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