„Wir möchten uns durch gemeinsame Erlebnisse auf Augenhöhe begegnen“ – Projektleitungen Lisa Riegert-Scheiber und Arezu Rezayee im Interview
Für uns bei DER FRANKFURTER spielt das soziale Engagement in unserer Stadt eine wichtige Rolle, deshalb haben wir uns für regelmäßige Spendenprojekte entschieden, bei denen wir einen Teil unserer Anzeigenerlöse wohltätigen Organisationen in Frankfurt widmen. Alle vier bis acht Wochen stellen wir hier eine neue Organisation oder einen Verein vor und schaffen damit nicht nur Sichtbarkeit, sondern sammeln gleichzeitig Spenden.
In den nächsten Wochen stellen wir Ihnen den gemeinnützigen Verein „Über den Tellerrand“ vor, der wichtige Integrationsarbeit leistet. In dieser Ausgabe sprechen wir mit den beiden festangestellten Projektleitungen Lisa Riegert-Scheiber und Arezu Rezayee. Alle vorangegangenen Beiträge finden Sie auf unserer Website www.der-frankfurter.de
Frau Riegert-Scheiber und Frau Rezayee, was macht über den Tellerrand für Sie aus und was ist Ihre Aufgabe im Team?
Lisa Riegert-Scheiber: Über den Tellerrand Frankfurt ist Teil des deutschlandweiten Über den Tellerrand-Netzwerks, das 2014 in Berlin gegründet wurde. Mit unterschiedlichen Begegnungsveranstaltungen und -projekten bringen wir Menschen niedrigschwellig zusammen. Gemeinsames Kochen und Essen nutzen wir als Mittel, um sich näher zu kommen und ein gemeinsames Erlebnis zu schaffen.
Als Projektleitung bin ich für die Konzeption, Ausgestaltung, Bewerbung, Umsetzung und am Ende auch die Auswertung meines Projektes zuständig. Mein neues Projekt „Kitchen Talks – Räume für Vielfalt“ startet im März. Im Projekt laden wir Menschen verschiedener Hintergründe dazu ein, an Gesprächen über Diskriminierung und Rassismus teilzunehmen. Ziel ist es, Empowerment, Resilienz, Handlungsfähigkeit und Zivilcourage der Teilnehmenden zu fördern, mehr über (Alltags-) Rassismus und Diskriminierung zu lernen und Multiplikator*in für Antidiskriminierung zu werden. Die Projektinhalte regen zur Selbstreflektion an und stärken Empathie sowie den Selbstwert von Betroffenen von Diskriminierung. Dazu finden über sieben Monate immer wieder Gruppentreffen, ergänzt durch einen intensiven Gruppencoachingprozess, und öffentlich zugängliche Gespräche für Vielfalt statt.
Arezu Rezayee: Ich bin seit etwa drei Jahren in Deutschland und erinnere mich noch gut an die Herausforderungen am Anfang. Vorletztes Jahr habe ich dann Über den Tellerrand Frankfurt entdeckt und direkt gedacht: „Hier gehöre ich hin“. Ich war zu dieser Zeit Teil des Karriere Buddy Projektes, was ich mittlerweile als Mitarbeiterin unterstütze. Im Projekt habe ich damals neue Perspektiven aufgezeigt bekommen und ein Praktikum machen können, das war meine erste Arbeitserfahrung in Deutschland. Seit einem Jahr bin ich nun auch als Angestellte dabei und schon sehr gespannt auf mein neues Projekt „Family & Friends Mosaik“, das im Februar startet. Dabei bringen wir Familien zusammen und machen verschiedene Aktivitäten, Ausflüge und kochen natürlich auch zusammen. So möchten wir den Start für eine Verbindung schaffen und das Gemeinschaftsgefühl stärken. Oft entstehen dabei auch richtig gute Freundschaften.
Was gefällt Ihnen an der Arbeit besonders? Welche Herausforderungen gibt es?
Lisa Riegert-Scheiber: Wenn wir Menschen zusammenbringen können, die sich sonst vielleicht nicht getroffen hätten, entsteht immer wieder eine sehr besondere Atmosphäre. Wenn sich so unterschiedliche Menschen, mit ihren bereichernden Geschichten bei einem gemeinsamen Erlebnis kennenlernen, zusammen essen und lachen, ist das immer sehr schön zu beobachten.
Auch als Arbeitsplatz ist „Über den Tellerrand“ für mich eine große Bereicherung, denn die Werte, die wir nach außen tragen, werden vom gesamten Team auch nach innen gelebt. Wir können selbstbestimmt arbeiten, viel Neues ausprobieren und selbst gestalten und haben dabei immer ein starkes Team im Rücken, das sich gegenseitig schätzt und unterstützt. Dass wir an einem Strang ziehen und gemeinsam unsere Erfolge feiern, gibt viel Kraft und Motivation.
Herausfordernd ist häufig die nachhaltige Finanzierung unserer Projekte, und als gemeinnütziger Verein sind wir auf starke Partner angewiesen, die uns dabei unterstützen.
Arezu Rezayee: Für mich ist es auch immer wieder herausfordernd und spannend zugleich, dass wir ganz verschiede Menschen aus unterschiedlichen Kulturen zusammenbringen, die oftmals nicht die gleiche Sprache sprechen. Dabei braucht es viel Kreativität, um jedem das Umfeld zu bieten, sich wohlzufühlen und aktiv werden zu können.
Welcher Moment wird Ihnen immer in Erinnerung bleiben?
Arezu Rezayee: Ein ganz besonderer Moment war vor ein paar Monaten bei einem Projekt mit Jugendlichen. Beim anfänglichen Gespräch in der Gruppe gab es einen Jugendlichen, der sehr schüchtern und zurückhaltend war und sich kaum eingebracht hat. Bis es dann zum Kochen kam. An diesem Tag sollte es ein traditionelles Gericht aus seiner Heimat geben. Als er das erfuhr, sprudelten die Emotionen und Erzählungen nur so aus ihm heraus. Er erzählte viel über seine Mutter, die das Gericht immer zubereitete. Dabei war ihm alles so vertraut, dass er sich ab dem Zeitpunkt sozusagen als Profi fühlte und sich mit ganz viel Gefühl einbringen wollte. Er sagte dann auch, dass es sich anfühlt, als wäre er heute mit seiner Mutter hier. Das ist ein schönes Beispiel dafür, wie bereichernd und motivierend unsere Arbeit ist.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Arezu Rezayee: Ich bin selbst Mutter und seit drei Jahren mit meinen Kindern in Deutschland. Wenn ich sehe, wie meine Kinder in Deutschland ihre Heimat gefunden haben, macht mich das so glücklich. Mein Wunsch ist deshalb, dass alle Kinder, die nach Deutschland kommen und hier leben, das Gefühl von Zugehörigkeit erfahren und ihre Heimat finden.
Außerdem liegt mir das Thema Arbeitsintegration am Herzen. Für mich war die neue Sprache, Kultur und das gesamte Umfeld damals eine große Herausforderung. Zum Glück bin ich auf „Über den Tellerrand“ gestoßen und habe hier einen Platz ohne Vorurteile und mit so viel Offenheit und Unterstützung gefunden. Alle haben sich hier so viel Mühe gegeben, dass ich mich wohlfühle und ankommen kann. Das wünsche ich mir auch für andere Menschen, die nach Deutschland kommen, weniger Bürokratie und dafür mehr Vertrauen und die Chance, sich zu zeigen.
Lisa Riegert-Scheiber: Ich wünsche mir, dass wir die positive „Über den Tellerrand Energie“ noch viel weitertragen und viele Menschen damit anstecken können. Und auch, dass mehr Menschen wieder mit Neugier und Interesse aufeinander zugehen, dass Gemeinsamkeiten in den Vordergrund rücken, dass wir mehr miteinander reden und voneinander lernen, Vorurteile abbauen und so den Zusammenhalt in der Gesellschaft stärken. Andere Perspektiven kennenzulernen ist so unglaublich bereichernd, das wünsche ich mir für alle Menschen.
Mitmachen und Teil des Teams werden?
Hier können Sie Kontakt aufnehmen:
Über den Tellerrand Frankfurt e.V., Leipziger Straße 36, 60487 Frankfurt am Main
www.ueberdentellerrand.org/frankfurt
Telefon: 069 8720 6877
E-Mail: frankfurt@ueberdentellerrand.org
Instagram: frankfurt_ueber_den_tellerrand
Der Verein freut sich immer über Einzel- oder Dauerspenden. Wenn Sie möchten, gerne über die Online-Spendenplattform betterplace: betterplace.org/p34273
// Titelfoto: © Über den Tellerrand Frankfurt e.V.