„Die Arbeit mit Geflüchteten ist eine große Bereicherung“ – Vorständin Kerstin Karsten im Interview

Für uns bei DER FRANKFURTER spielt das soziale Engagement in unserer Stadt eine wichtige Rolle, deshalb haben wir uns für regelmäßige Spendenprojekte entschieden, bei denen wir einen Teil unserer Anzeigenerlöse wohltätigen Organisationen in Frankfurt widmen. Alle vier bis acht Wochen stellen wir hier eine neue Organisation oder einen Verein vor und schaffen damit nicht nur Sichtbarkeit, sondern sammeln gleichzeitig Spenden.
In den nächsten Wochen stellen wir Ihnen den gemeinnützigen Verein „Über den Tellerrand“ vor, der wichtige Integrationsarbeit leistet. In dieser Ausgabe sprechen wir mit Kerstin Karsten, eine der drei Vorständinnen des Vereins.

Kerstin Karsten, Vorständin von Über den Tellerrand Frankfurt e.V.

Liebe Frau Karsten, was genau ist „Über den Tellerrand“?
Den Verein „Über den Tellerrand“ gibt es seit 2015, die Mutterorganisation in Berlin schon länger. Meine Vorstandskollegin Nadine Kruschbersky hatte sich das Projekt damals in Berlin angeschaut und wollte unbedingt in Frankfurt einen Satelliten – so nennen wir die Tochterorganisationen – eröffnen. Es gibt noch über 40 weitere in ganz Deutschland.
2015 war eine Zeit, in der viele Geflüchtete nach Deutschland gekommen sind, und gerade da wollten wir zur Integration beitragen und Menschen helfen, die nicht in Deutschland aufgewachsen sind, und für die hier vieles anders ist.

Zuerst startete alles dann ziemlich „hands on“. *lacht* Wir haben Grillfeste und ähnliche Veranstaltungen organisiert, die durch Spenden möglich waren. Die Sachen dafür haben wir in privaten Kellern zwischengelagert. Mittlerweile ist das viel professioneller, wir haben eigene Räumlichkeiten und acht Festangestellte.

Unser Hauptthema ist Menschen mit Flucht- oder Migrationserfahrung und beheimatete Menschen zusammenzubringen. Und dabei haben unsere Projekte fast immer die Gemeinsamkeit, dass zusammen gekocht und gegessen wird. Da findet sich auch der Bezug zum Namen „Über den Tellerrand“. Der Hintergrund dazu ist einfach, dass Kochen und Essen Tätigkeiten sind, die immer auf Augenhöhe stattfinden können – egal ob es Sprachbarrieren gibt, man kann sich zu dem Thema immer verständigen. Essen schafft ein tolles Gemeinschaftsgefühl und ist deshalb unser tragendes Element.

Wie lange sind Sie Teil des Teams und was ist Ihre Tätigkeit dort?
Mit meiner Kollegin, die die Motivation hatte, bin ich Gründungsmitglied. Zunächst bin ich mit der Satzung eingestiegen und war auch Kassenprüferin. Nach zwei Jahren, 2017, bin ich dann mit in den Vorstand eingestiegen, da der damalige Kollege aufgehört hat. Seit 2024 gibt es auch eine dritte Vorständin, da wir alle ehrenamtlich und nebenberuflich tätig sind und uns die Arbeit so gut aufteilen können.

Als Vorständin bin ich vor allem für das Netzwerken zuständig. Als gemeinnütziger Verein sind wir auf finanzielle Unterstützung angewiesen, also spreche ich potenzielle Partner an und hole sie an unsere Seite. Außerdem sind wir im Vorstand auch bei Personalentscheidungen und strategischen Themen involviert. Ansonsten gibt es im hauptamtlichen Team eine Geschäftsstellenleitung, die die meisten Dinge eigenständig organisiert.

Welche Herausforderungen begegnen Ihnen bei der Arbeit?
Wir bewerben uns bei verschiedenen Trägern für unsere Projekte. Diese Projekte laufen dann in der Regel über drei Jahre. Diese befristeten Verträge sind dann schon eine Herausforderung für uns, da wir unseren Mitarbeitenden somit auch nur befristete Verträge anbieten können. Häufig kommt eine Bewilligung zudem recht kurzfristig, was eine langfristige Planung erschwert.

Zudem ist es bei der Förderung durch Träger auch häufig so, dass man 10 % Eigenmittel beisteuern muss. Das kann dann schon mal schwierig werden, da wir dafür ja entsprechende Spenden generieren müssen. Meist schaffen wir das aber ganz gut, da wir starke Partner an unserer Seite haben. Das Thema Geld ist dennoch immer ein konstantes.

Welcher Moment wird Ihnen immer in Erinnerung bleiben?
Vor zwei Jahren haben wir unser Kochbuch „Frankfurt is(s)t bunt“ herausgebracht. Daran haben viele Autorinnen und Autoren mitgearbeitet. Die eine Hälfte von ihnen hat schon lange in Frankfurt gelebt und die andere Hälfte kam erst später nach Frankfurt. Frankfurt ist eine sehr bunte Stadt – deshalb auch der Titel –, in der fast alle Nationen der Welt vertreten sind. Wir wollten in unserem Kochbuch also so viele Gerichte wie möglich sammeln, um die kulturelle Vielfalt in Frankfurt abzubilden.

Als ich das Buch dann vor zwei Jahren in der Hand gehalten habe, war das ein ganz besonderer Moment, denn das Buch ist komplett remote entstanden. Mit der Idee hatten wir Ende 2019 begonnen, konnten uns da noch einmal persönlich treffen, und mit Beginn der Pandemie 2020 war das nicht mehr möglich, sodass wir gezwungen waren, all unsere Treffen online abzuhalten. Das hat aber super geklappt und wir hatten sehr viel Zuspruch. Was mich bis heute auch noch glücklich macht, ist das große ehrenamtliche Engagement von allen Beteiligten. Wir hatten eine Foodstylistin, einen Grafiker und einen Fotograf, die so viel Zeit in das Projekt gesteckt haben und die ganze Herangehensweise war immer positiv, weil alle einfach dabei sein wollten.

Was sind die nächsten Projekte?
Aktuell gibt es drei Projekte, die wir schon länger anbieten: Karriere Buddy – unser ältestes Projekt zur Arbeitsmarktintegration, die Projekte CommunityConnect (mit Fokus auf Communities in Frankfurt, aktuell z. B. die afghanische) und World Kitchen (eine Kooperation mit dem Arbeiter-Samariter-Bund in Frankfurt).

Neu starten werden dieses Jahr drei Projekte: eines, welches Familien zusammenbringt, namens Family & Friends Mosaik, ein Dialog- und Austauschprojekt, was sich z. B. mit Diskriminierung auseinander setzt, (Kitchen Talks) und ein Projekt für Frauen (Sprich Mit).

Wir sind außerdem Kooperationspartner für ein Projekt der Caritas (BEGIN).

Was sind Ihre Wünsche für die Zukunft?
Ich sehe es als große Bereicherung, so viele Menschen mit ihren Gedanken und Einstellungen kennenzulernen und das wünsche ich auch anderen. Ich wünsche mir, dass Menschen wieder mehr miteinander machen, aufeinander zugehen und geflüchtete und migrierte Menschen einfach als Mitmenschen sehen. Zugehörigkeit ist ein ganz wichtiges menschliches Bedürfnis, das allen Menschen erfüllt werden sollte. Denn niemand flieht freiwillig aus seiner Heimat, das scheint immer noch ein großer Irrglaube in den Köpfen zu sein. Ich wünsche mir mehr Gleichheit und ein friedliches Miteinander in Gleichberechtigung und dass alle genug zum Essen und Trinken haben.

Was brauche ich, um Teil der Community zu werden?
Alle, die gerne mit Menschen zu tun haben, neue Menschen kennenlernen möchten und vielleicht auch noch gern kochen und essen, sind bei uns genau richtig. Wir suchen immer Menschen, die mitmachen und uns unterstützen möchten. Entweder bei einzelnen Veranstaltungen oder im regelmäßigen Ehrenamt.

Hier können Sie Kontakt aufnehmen:
Über den Tellerrand Frankfurt e.V., Leipziger Straße 36, 60487 Frankfurt am Main
www.ueberdentellerrand.org/frankfurt
Telefon: 069 8720 6877
E-Mail: frankfurt@ueberdentellerrand.org
Instagram: frankfurt_ueber_den_tellerrand

Der Verein freut sich immer über Einzel- oder Dauerspenden. Wenn Sie möchten gerne über die Online-Spendenplattform betterplace: betterplace.org/p34273

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