Nördlich des Bahnhofsviertels befindet sich dieser kleine, aber feine Stadtteil Frankfurts. Hier ist buntes Treiben an der Tagesordnung – Restaurants und Kneipen aus allen möglichen Ländern bestimmen das Stadtteilbild. Das Besondere an dem Viertel ist die Nähe zum Main, diese wurde bei Gestaltung der Neubauprojekte direkt mit einbezogen. Das Motto „Wohnen und Arbeiten am Fluss“ wurde umgesetzt und neu gestaltet: „Klein-Venedig“ hat so Einzug in Frankfurt gehalten. Hinter dem Westhafen bildete sich auf der kleinen Halbinsel ein eigener Bereich zum Leben. Doch nicht nur für Wohnungen mit Bootsanleger war hier Platz, sondern auch für Restaurants und Büroräume.
Ein architektonisches Highlight: das große Gerippte
Der Westhafentower hat seinen Namen von den Frankfurtern bekommen: das große Gerippte. Darauf gekommen sind die Bürger durch die Form des Turms. Er ist rund und geht steil nach oben. Wie beim Apfelweinglas besteht der Turm aus mehreren aneinandergereihten und auf den Kopf gestellten Dreiecken. Insgesamt 3556 dreieckige Glasscheiben bilden die Außenwand. Mit einer Höhe von 99 Metern ist der Turm aus der Ferne gut erkennbar. Seit 2004 steht er am Mainufer und trägt zum charakteristischen Bild bei. Unter Frankfurtern ein beliebtes Fotomotiv.
Auch ein überregionaler Fernsehsender schmückt sich im Teaser seiner Nachrichtensendung „Newstime“ mit dem Westhafentower. Inmitten einer computeranimierten Hochhauslandschaft ist unser „großes Geripptes“ zu sehen.
„Klein Venedig“
Als „Klein Venedig“ wird im Allgemeinen der Bereich hinter dem Westhafentower bezeichnet. Es ist eine kleine „Halbinsel“, die an das Frankfurter Stadtgebiet angeschlossen ist. Hier wurden seit 2004 unter dem Motto „Wohnen und Arbeiten am Fluss“ einige neue Gebäude gebaut. Früher war hier lediglich ein Güterhafen. Dieser Teil der Stadt war als Arbeiterviertel bekannt. In der Hafenstraße befindet sich ein altes Backsteingebäude – nicht ungewöhnlich, da Backstein ein Material ist, das in Hafengegenden viel genutzt wird. Der Backstein, der allerdings hier verbaut wurde, ist ganz besonders: „Wasserstich“ heißt er. Es handelt sich um einen dunklen, gebrannten Backstein, der durch individuelle Schlieren und Farbnuancen zum Unikat wird.
Vor allem die Spitze von „Klein Venedig“ lädt zum Verweilen ein: Hier wurde ein schöner, ruhiger Ort geschaffen. Es stehen mehrere Sitzbänke zur Verfügung und die Begrünung schafft eine gemütliche Atmosphäre.
Die Gutleutkaserne
Die 1877 errichtete Gutleutkaserne ist ein gewaltiges Backsteingebäude. Es wurde 1945 von der U.S. Army in Beschlag genommen, die die Kaserne bis 1977 in ihrem Eigentum behielt. 1985 hat sich die Stadt Frankfurt des Gebäudes angenommen und beschlossen, das alte Backsteingebäude zu renovieren. Nach fünf Jahren Umbauzeit konnte das Bauwerk nun als Behördenzentrum genutzt werden. Auch heute noch befinden sich hier mehrere Finanzämter, das Sozial- und Arbeitsgericht sowie das Amt für Straßen und Verkehrswesen.
Als besonderes Highlight hat 2007 das hessische Landesarbeitsgericht hier Einzug gefunden.
Das Kraftwerk West
Das Kraftwerk West kennen die wenigsten unter diesem Namen. Es ist eher bekannt als das Kraftwerk der Mainova. Am Abend wird es mit mehreren Scheinwerfern bunt angestrahlt. Es handelt sich hierbei um ein mit Steinkohle und Erdgas betriebenes Heizkraftwerk. Gerade das Thema Kohle spaltet die Gemüter. Demonstranten forderten zuletzt 2018, dass das Heizkraftwerk West abgeschaltet werden soll.
Für alle, die sich mehr für den Aufbau und das Betreiben eines Kraftwerkes interessieren, gibt es die Möglichkeit, sich bei Führungen im Kraftwerk schlau zu machen. Einblicke in eine Welt sind möglich, die sonst nur Kraftwerkern zur Verfügung stehen.
„Insel der Reichen“
Dass das Gutleutviertel früher ein Arbeiterviertel war, ist heute nicht mehr vorstellbar. Inzwischen können sich hier nur noch gutbetuchte Bürger Wohnungen leisten. Zum Teil bekommen sie dazu noch einen Bootsanlegeplatz für die eigene Yacht. Schwierig für Wenigverdiener ist auch die Einkaufssituation im Gutleutviertel: Es gibt nur einen einzigen Supermarkt im Stadtteil. Dies ist der einzige Ort im Gebiet, an dem alle aufeinandertreffen. Die Politiker des Gutleutviertels wünschen sich mehr Platz für Begegnungen. Ein Bürgerzentrum wäre eine nette Idee.
Randgruppen drängen sich rein
Problemtisch für das Gutleutviertel ist die Nähe zum Frankfurter Hauptbahnhof. Durch die Auflösung von Ansammlungen im Bahnhofsviertel weichen die Personen dann häufiger auf andere Viertel aus. Doch die Verlagerung der Drogenszene ist keine Lösung.
Die Abgabestelle für Methadon in der Hafenstraße sowie einige Trinkhallen führen dazu, dass sich auch in dieser Gegend Drogen- und Alkoholabhängige aufhalten. Nicht wenige Anwohner fühlen sich damit unwohl und das Sicherheitsgefühl im Viertel lässt nach.
Perspektiven für die Zukunft
Das Gutleutviertel ist noch lange nicht am Ende seines Wachstums. Es soll mehr urbanes Gewerbe und Wohnraum ermöglicht werden. Die Bebauungspläne für das Stadtgebiet stehen bereits. Südlich der Gutleutstraße soll ein neues Quartier entstehen, das einer Mischnutzung unterstehen soll. Schulen, Läden und Kitas sind in Planung. Die Stadt hatte sich bereits Flächen gesichert, hierdurch soll mehr günstiger Wohnraum entstehen. Der Mainuferweg soll bis nach Griesheim verlängert werden. Außerdem gibt es Überlegungen, den schlecht angebundenen Westen des Viertels endlich an das Straßenbahnnetz anzuschließen. Es ist dem Gutleutviertel zu wünschen. Allein schon, damit mehr Frankfurter die schönen Seiten dieses Stadtteils genießen können.
(Text & Fotos: TL)