Der Frankfurter Kunstverein hat unter dem Titel „How to Make a Paradise“ neun Künstler und Kollektive eingeladen, ein breites Spektrum künstlerischer Projekte zu präsentieren, die sich mit dem menschlichen Wunsch nach digitalem Eskapismus sowie dem Drang, unsere Fähigkeiten durch den Einsatz von Technologie zu erweitern, auseinandersetzen. Kuratiert von Mattis Kuhn mit der Unterstützung von Franziska Nori, umfasst die Ausstellung multimediale Installationen, digitale Filme und VR-Experiences. Die Arbeiten nehmen unterschiedliche Blickwinkel ein, immer aber wird ein Gefühl der Einsamkeit beschrieben.

Im Fokus der Rauminstallation „Feel My Metaverse“ von Keiken steht das Artifizielle von Körperlichkeit in der heutigen Selbstoptimierung und Do-it-Yourself-Kultur. Die digitalen Bildwelten finden in Zukunftsumgebungen statt, in der Nutzer online einen Körper erwerben können, mit dem sie sich in völliger Isolation durch die Ersatzwelt bewegen. Die Sehnsucht nach dem Realen, nach Berührung, nach

Verbundenheit bestimmen als unerfüllbarer Wunsch das Denken und Fühlen der Akteure.

Das Thema der Isolation ist auch der zentrale Aspekt der Arbeit „I Would prefer Not To“ des Künstlerduos FleuryFontaine. Hier geht es um eine reale Person, um den jungen Mann Ael, der seit 13 Jahren als „Hikikomori“ lebt, als Mensch, der sich fast gänzlich aus der Gesellschaft und dem öffentlichen Lebensraum in die Abgeschiedenheit privater Räume zurückgezogen hat. Im Verlauf der Arbeit, die in der Form eines How-to -Videos entsteht, erfahren wir Aels gewählt begrenzte Welt aus seiner individuellen Perspektive. Wir sehen durch seine Bewegung, wir erleben, was er erlebt, und wir hören, was er erzählt. „How to Make a Paradise“ hat für jede künstlerische Arbeit einen eigenständigen Raum erschaffen, in dem jede der digitalen Bildwelten aufgegriffen und im analogen Raum erweitert und verstärkt wird. Die neun Arbeiten stehen für aktuelle künstlerische Produktionen, denen es gelingt, die aufkommenden Brüche sowohl für das Individuum als auch in der politischen, kollektiven Dimension, zu antizipieren. Paradiese klingen nach Erfüllung und Sehnsucht. Nach Ferne und Schönheit, nach Dasein ohne Mühe. Zu jeder Zeit, an jedem Ort sind digitale Gadgets verfügbar. Sie versprechen uns die Ausweitung der Komfortzone. Und sie entführen uns aus dem Hier und Jetzt. Sie nehmen uns mit in Welten, deren Erscheinungsoberflächen sich unseren Wünschen anpassen lassen. Verspielt, nutzerfreundlich und mit dem Klang sanfter Stimmen helfen sie uns mühelos durch den Alltag. Der Rückzug in digitale Paradiese und kontrollierbare Welten sind der eine Pol, die ständige Optimierung der Körperlichkeit der andere. Aber die fast allen Arbeiten unterschwellig innewohnenden Themen sind Isolation und Untergangsszenarien. Der Wunsch nach Kontrolle durch digitale Instrumente und Anwendungen scheint immer wieder durch. Die Sehnsucht nach komfortablen, schillernden Welten durchzieht die Ausstellung. Die Allgegenwärtigkeit digitaler Bilder, die mit perfekten Oberflächen ihre eigene Wirklichkeit behaupten, verstärken den Wunsch nach individueller Selbstoptimierung. In den digitalen Ebenen spiegeln wir uns selber. Immer weiter optimieren wir unsere Skills, unser Selbst und unsere individuelle Welt. Sehnsüchtig nach Verführungen und dem Erlebnis von Nähe ohne Intimität, von Erregung ohne Konsequenz, in individuellen Paradiesen. Mit einem digitalen Leib als künstlicher Manifestation unseres inszenierten Selbsts bewegen wir uns durch die Matrix der digitalen Welt. Auf der Suche nach Anerkennung, nach Selbstvergewisserung im Like der Online Communities.

(Text: PM)

Vorheriger ArtikelSehnsucht Stadion: Hans Zimmer Konzert am 9. Juli 2017
Nächster ArtikelTipp to go: Der Skatepark im Osthafen