Eine unscheinbare Lagerhalle im Gewerbegebiet Neu-Isenburgs. Nur ein kleines Schild an der Tür offenbart uns, das hinter der Tür Großes lauern könnte. „8 Days a Week“, ein Firmenname nach dem bekannten Titel der Beatles, lässt den ein oder anderen Spitzfindigen eventuell schon erahnen, dass die Mitarbeiter dieses Unternehmens keinem „nine to five“ Job nachgehen.

Welttournee im Hochregallager

Die Tür wird uns geöffnet und Frank Müller, geschäftsführender Gesellschafter, geleitet uns in seine „Schatzkammer“: Eine gigantische Lagerhalle türmt sich vor uns auf, Hochregallager voller Equipment, Mischpulte mit einer schier endlosen Anzahl von Kanälen, Armadas von Mikrofonen, Bildschirmen, Lampen und Traversen erscheinen in unserem Blickfeld – alles fein säuberlich eingelagert und katalogisiert. Normalerweise wären große Teile des Regalinhaltes gerade auf Tour, aufgebaut auf Open Air Festivals, Industrieevents und Konzerttourneen. Doch dass dies gerade nicht möglich ist,  und auch der Grund weshalb, ist uns allen hinlänglich bekannt. Auch Frank Müller und sein Team von „8days a week“ hatten innerhalb weniger Tage faktisch keine Aufträge mehr. Der auf technische Ausstattung spezialisierte Veranstaltungsdienstleister bekam in seinen ursprünglich prall gefüllten Auftragsbüchern hautnah und latenzfrei die immer stärkeren Beschränkungen des öffentlichen Lebens mit. Veranstaltungen waren nur noch bis zu 1.000 Personen, dann 100 Personen, dann zehn Personen möglich, bis sich die erlaubten Kontaktmöglichkeiten nur noch auf den eigenen Hausstand reduzierten. Eine Eventfirma ohne Events: Für Viele ist das eine Situation, in der sie aufgeben und den Kopf hängen lassen würden – doch nicht für Frank Müller und sein Team.

Blitzwandel der Branche

Not macht erfinderisch, und so sattelten „8 days a week“ in kürzester Zeit auf eine ursprüngliche Nische der Veranstaltungsbranche um, die sich im Laufe der Pandemie raketenstartartig von der Nische zum „Must Have“ der Branche und weit darüber hinaus entwickeln sollte: Streaming Events. Der Vorteil: Ein Großteil des Equipments, das man auf Liveveranstaltungen benötigt, wird auch bei professionellen Streamingstudios benötigt. Mischpulte und Profi-Mikrofonierungen sorgen für den ordentlichen Ton, Rückprojektionen, Lichtkonzepte und Traversensysteme rücken den Stream ins „rechte Licht“. Ein weiterer Vorteil: Ein Großteil des Teams war schon vor Pandemie-Zeiten regelmäßig für TV-Produktionen aktiv und auch der event-gestählte Rest konnten sich mithilfe dieses Know-Hows in Windeseile mit diesem Themenkomplex und seinen Besonderheiten auseinandersetzen.  Denn gerade in der Veranstaltungsbranche ist nichts beständiger als der Wandel. Also wurden große Teile des Lagers in Studioflächen mit Leinwänden und schwarz gebohnertem Studioboden ausgestattet, Fenster abgehängt, Traversen beleuchtet, Videoregie, Ton- und Lichtpulte konfiguriert, Kamerazüge installiert, Mobiliar in Szene gesetzt. Das „Studio 8“ war geboren.

Konzertfeeling im Wohnzimmer

Um das Equipment nicht nur für Unternehmen zur Verfügung zu stellen, sondern vor allem die coronabedingt brachliegende Kultur- und Livemusikbranche zu unterstützen, begründete Frank an Ostern vor einem Jahr zusätzlich auch seinen eigenen YouTube-Channel: „Club 8“ sendet fortan jeden Montagabend Livemusik von Allerfeinsten in die heimischen Wohnzimmer. Das erste Konzert: Marvin Scondo, der Gewinner der bekannten Fernsehshow „The Voice of Germany“ aus dem Jahr 2020. Normalerweise wäre dem Fernseherfolg eine größere Live-Tournee gefolgt, aber für Scondo gab es hierfür kaum bis keinen Spielraum. So kam es, dass der aus Hanau stammende Martin Scondo sein Debut im „Club 8“ geben – und das Konzertfeeling nach Hause an den Wohnzimmertisch bringen konnte.

Coldplay statt Küchentisch

Aus dem Auftritt von Marvin Scondo entstand eine ganze Showreihe. Zunächst wurde Coverbands, wie z.B. der Mult-Kultband „The Gypsys“, die Möglichkeit gegeben, aufzutreten. Weiter ging es mit Bands und Künstlern mit eigenen Texten und spannenden nicht-alltäglichen Formaten, wie z.B. „Dana Maria“, dem „C.A.T.S.S. Trio“ oder „HARTMANN“. Garniert wird das Ganze inzwischen sogar durch eine Live-Moderation: Christopher Tukker führt durch die Show und interviewt die Interpreten. So wurde aus der Not eine Tugend; Frank Müller konnte mit der Erweiterung seines Geschäftsfeldes nicht nur sich und seinem Team helfen, sondern auch vielen jungen Bands Auftrittsmöglichkeiten vor einem größeren Publikum verschaffen – statt vor der Bühne auf den Bildschirmen; und in einer Qualität, die eher an Coldplay bei „Wetten dass..“ erinnert, als an verwackelte Handyaufnahmen von „Küchentisch-Youtubern“. Aber wie in der Live-Veranstaltungswelt gibt es auch in der virtuellen ab und an mal spontan zu lösende Situationen; als einmal ein Künstler kurz vor der angekündigten Streamingshow aufgrund einer Quarantäne nicht auftreten konnte, schnitten Frank und sein Team kurzerhand eine „Best of Folge“ und sendeten diese in den Stream. Auch hier gilt das Prinzip, dass ein kühler Kopf die besten Lösungen bringt, und kühle Köpfe haben hier in dieser Technikschmiede offenbar fast alle.

Blitzdigitalisierung befeuert Teilnehmerzahlen

Dass sich die technischen Fähigkeiten des Teams auch bei vielen Unternehmen schnell herumsprachen, war aufgrund der jahrelangen Beständigkeit im Markt und der Vernetzung mit vielen anderen Veranstaltern und Kooperationspartnern fast schon absehbar. Da sämtliche Großveranstaltungen und informelle Events wie Jahresauftakttagungen, Konferenzen und Hauptversammlungen trotz Pandemie in irgendeiner Weise kommunikativ stattfinden müssen, wird die Branche zumindest auf dem Streaming-Sektor wieder etwas belebt; wohl dem, der sich diesen neuen Gegebenheiten stellt. Die virtuellen Zuschauerzahlen beweisen: auf vielen Streamingveranstaltungen werden inzwischen drei- bis viermal höhere Reichweiten erzielt als er erfahrungsgemäß bei vergangenen Liveveranstaltungen der Fall war. Die aus der Not der Pandemie heraus entstandene „Blitzdigitalisierung“ der Gesellschaft sorgt inzwischen dafür, dass der Login in einen Stream genauso gelerntes Prinzip ist, wie das Bezahlen per App und der online bestellte Lebensmitteleinkauf vor die Haustür. Positiver Nebeneffekt: Neben weitaus geringeren Projektkosten entfallen viele Reisekosten und der damit verbundene CO²-Ausstoß.

Anders als zuvor, doch immer im Aufschwung

Gerade ging das einjährige Jubiläum der Club 8 Streaming Konzerte von „8days a week“ über die „Online-Bühne“. Zu diesem Jubiläum konnte sich Marvin Scondo nicht nehmen lassen, am 05.04. ein weiteres Mal im Studio aufzutreten.

Frank Müller sorgt für die richtigen Einstellungen am Licht.

Die nächsten Auftritte:

26.04. Bernd Sangmeister Trio

03.05. Broken Resistance

10.05. Vellocet

17.05. Goldland

Die Konzerte beginnen jeweils um 20 Uhr, anzuschauen auf www.club8.tv.

Auf die Frage, ob Frank der Pandemie auch etwas Positives abgewinnen kann, hallte nur ein herzliches Lachen durch den Raum: „Dafür, dass wir unser Equipment nicht mehr zu jeder Tages- und Nachtzeit von Bühne zu Bühne schleppen müssen, bedankt sich zumindest schon mal meine Bandscheibe.“ Von einem „nine to five“ Job ist Frank allerdings, Streaming hin oder her, trotzdem noch weit entfernt. Und das ist auch gut so!

(Text: CG/TL)

Vorheriger ArtikelFrankfurt Forward baut internationale Aktivitäten zur Stärkung des Ökosystems aus
Nächster ArtikelSie haben gewählt!: Exklusiver Online-Sportabend ist in Vorbereitung