Kerb-Feste sind in Frankfurt nicht so bekannt wie im ländlichen Gebiet. Dennoch halten viele Stadtteile an der Tradition fest und veranstalten noch heute ihre eigene Kerb. Eine davon findet im interessanten Stadtteil Sossenheim statt. Seit 2013 gibt es hier die Sossenheimer Kerbeburschen e.V. Das ist vor allem dem ersten Vorsitzenden des Vereins, Michael Schneider zu verdanken, der diese Tradition nicht sterben lassen wollte und daher den Verein gründete.
Kerb kommt von Kirchweih
Das Wort Kerb ist abgeleitet von der Kirchweih. Die Kirchweih ist ein Fest, bei dem die Weihe der jeweiligen Ortskirche gefeiert wird. Jeder Stadtteil richtet sich individuell nach seiner Kirche, so ergeben sich verschiedene Daten, an denen die Feierlichkeiten stattfinden. In Sossenheim wurde die Kirche am ersten Sonntag im Oktober geweiht und daher wird jährlich dann Kerb gefeiert.
Mit dem Begriff „Kerbeburschen“ dürfen sich Frauen übrigens ebenso angesprochen fühlen, wie die Männer. Der Verein ist für alle offen die Freude am Kerb feiern haben. Von jung bis alt ist alles dabei, daher hat der Verein nicht nur amtierende Kerbeburschen, sondern auch eine Jugend und für ältere Mitglieder und Ehrenmitglieder die Abteilung „Goldies“.
Im Jahr 2018 wurde die Jugendabteilung gegründet, um auch die 14- bis 18-jährigen einzubinden und einen spielerischen Übergang zu den amtierenden Kerbeburschen möglich zu machen. All jene, deren Zeit als amtierende Kerbeburschen abgelaufen ist, können sich noch bei den „Goldies“ des Vereins einbringen. Der Verein möchte generationsübergreifend die Erfahrungen aller nutzen, um das Brauchtum der Kerb zu erhalten.
Aufs Kerbfest wartet der Stadtteil das gesamte Jahr
Das Kerbfest dauert drei Tage. Der erste Tag der Kerb ist traditionell immer ein Freitag und beginnt mit der Fahnenweihe der Kerbeburschen. Nachdem die Fahne geweiht wurde, ziehen die Kerbeburschen durch den Ort und besuchen per Hausbesuche Unterstützer des Vereins.
Am folgenden Tag, dem Samstag, wird der Kirchweihbaum aufgestellt. Die Sossenheimer haben sich dazu entschlossen, den Baum ins Zentrum ihres Stadtteils zu stellen, damit er von überall im Ort gut gesehen werden kann. Auch die „Kerbebob“ darf nicht fehlen: Er ist eine Puppe, die traditionell an den Baum gehängt wird. Die „Kerbebob“ wird jedes Jahr nach einer bekannten Person aus Sossenheim benannt. Am Abend geht es dann auf dem Festplatz in die zweite Runde mit Livemusik und Fahrgeschäften.
Am Sonntag, dem letzten Tag des Festes, beginnt die Kerb mit dem Gottesdienst. Anschließend wird mit einem Festzug, mit Motivwagen, Fahnenträgern und Blasmusik der gesamte Weg vom Kirchberg bis zum Festzelt zelebriert. Im Rahmen des Frühschoppens erfolgt auch die traditionelle Versteigerung des Kerbebaums.
Eine Woche später wird der Kerbebaum gefällt und die „Kerbebob“ am Abend verbrannt. Das darf dann die Person tun, nach der sie benannt wurde. Es gibt ein großes Feuer auf dem Platz, Kinder laufen herum und spielen rund um das Kerbefeuer.
Das Sossenheim Open-Air
Im Coronajahr 2020 fand erstmals das „Sossenheim Open Air“ statt. Selbst während der Pandemie ließen es sich die Kerbeburschen nicht nehmen ein Open-Air zu veranstalten. Ursprünglich hatte der Verein seit 2013 jährlich ein Sommerfest organisiert. Bedingt durch den Verkauf der bisherigen Location (Stammwirtschaft Hainer Hof) war schon seit längerem eine Weiterentwicklung zum Sossenheim Open-Air geplant. Deshalb griff der Verein in die Schublade und veranstaltete in veränderter Form das dreitägige Open Air Format.
Zum Veranstaltungszeitpunkt waren allerdings die Vorgaben noch ein weniger lockerer als sie es 2021 sind. Ein besonderes Hygiene-Konzept war dennoch vonnöten. Zu dieser Zeit durften bis zu zehn Personen zusammen an einem Tisch sitzen. Es gab Bierbank- sowie Autotickets. Als Gruppe konnte man sich eine gesamte Bierbank sichern, andere saßen lieber mit den Freunden im eigenen Auto. Wahrscheinlich die einzige Großveranstaltung unter Corona, die von einem Verein während der Coronapandemie im Frankfurter Westen abgehalten wurde.
Das Open Air stand unter der Schirmherrschaft des Hessischen Staatskanzleichefs Staatsminister Axel Wintermeyer, der sich nicht nehmen ließ, die Veranstaltung persönlich zu besuchen. Ballermann-Star Lorenz Büffel durfte als erster loslegen. Seinen größten Hit „Jonny Däpp“ trällerte er auch hier auf der Bühne. Am darauffolgenden Abend trat die Coverband „The Gypsys“ auf. Pandemiebedingt war dies das einzige Konzert für sie in 2020. Umso aufregender war es für die Zuschauer, dabei sein zu dürfen.
Kerb ist zwar nur einmal im Jahr, doch feiern kann man öfter
Dem Verein hat es aber nicht gereicht, nur einmal jährlich zur Kerb aktiv zu sein. Daher pflegen die Kerbeburschen auch Freundschaften zu anderen Kerbegesellschaften der Region. Glücklicherweise finden von Mai bis September im Raum Frankfurt mehrere Kerben statt. So sind die Kerbeburschen oft auch auf anderen Kerbveranstaltungen anzutreffen.
Aber auch auf vielen Festumzügen und zur Faschingszeit sind die Sossenheimer Kerbeburschen e.V. aktiv. Eine Menge Zeit und Arbeit steckt in dem liebevoll gestalteten Anhänger, der nicht nur aus einem riesigen Bembel und einem überdimensionalen Gerippten besteht, sondern auch funktional Apfelwein ausschenken kann. Neben dem begehbaren Apfelweinglas kann auch der riesige Bembel bestiegen werden. Der Wagen steht für die Region: „Uns Frankfurtern, den Apfelweinbeauftragten Deutschlands“.
Schnell hatten die Macher den Einfall, den schönen Motivwagen auch am Hessentag zu präsentieren. Bisher fuhr immer nur ein einziger Wagen aus Frankfurt beim Hessentag mit, der von der Stadt Frankfurt bei einem externen Dienstleister beauftragt worden war. Das fanden die Kerbburschen schade. Warum sollte ein externer Dienstleister beauftragt werden, wenn ein engagierter Verein mit Herzblut die Repräsentation genauso gut durchführen kann!? Also wendete sich der Vorstand gemeinsam mit dem Ehrenmitglied und Künstler Peter Kullmann direkt an Oberbürgermeister Peter Feldmann. Gemeinsam mit einem Projektteam (bestehend aus städtischen Mitarbeitern und Vereinsmitgliedern) wurde ein entsprechendes Konzept erarbeitet. Seit 2019 ist der Verein für mindestens 5 Jahre offiziell Botschafter der Stadt Frankfurt auf den Hessentagsumzügen.
(Text und Bilder: TL)